kurzkritik : Frustrierte Wahl-Kunst
Würden wir am Sonntag nicht wählen gehen – diese Ausstellung hätte es niemals gegeben. Doch der Frust ob der Neuwahlen war groß bei Carl-Heinz Otto Schäfer. Da hat er einfach zur Schere gegriffen.
Das Ergebnis ist an der Straßenbahn-Haltestelle „Sielwall“ zu sehen, im Schaufenster eines leer stehenden Geschäftes. Dort hängen – auf schwarz-rot-goldenem Hintergrund – Politikerfotos, ausgeschnitten aus den Spiegel-Ausgaben der vergangenen Wochen. Grafik-Designer Schäfer hat sie, wie im Comic, mit Sprech- und Gedankenblasen bestückt.
„Also den Stoiber hau‘ ich auch noch mal richtig auf die Fresse“ steht da etwa unter einem Foto von Angela Merkel zu lesen, die gerade beide Fäuste ballt. Und eine Seniorin im Altenheim sagt: „Endlich ist Gerdchen wieder da, wo er hingehört“. Der Kanzler dazu: „Halt die Klappe“. Schröder und Merkel sind die Hauptfiguren in dieser Inszenierung, die sich auch an manchen Wahlplakaten in der Stadt wieder findet. Aber auch die anderen kriegen ihr Fett weg. Alle.
Die Idee ist nicht neu, sondern jede Woche im Stern nachzulesen – allerdings oft ungleich witziger. Schäfer tut in erster Linie seinem Ärger über die politische Klasse kund, legt den Schröders, Westerwelles und Merkels allerlei Unfreundliches in den Mund, erhebt Banales zur Kunst. Kein Grund, um extra auszusteigen. Aber ein guter Zeitvertreib für die Wartenden. Jan Zier
Voraussichtlich bis zum 18. September an der Straßenbahn-Haltstelle „Sielwall“ (Richtung City) zu sehen.