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Archiv-Artikel

kurzkritik: „warten auf die barbaren“ Falsche Feinde

Ein ruhiges Leben in ruhigen Zeiten wünscht sich der alternde Magistrat. Mit der Ruhe ist es vorbei, als eine Spezialeinheit der Staatspolizei in den Ort einfällt. Die Männer sind auf der Jagd nach „Barbaren“, die angeblich den Ort bedrohen. Der Trupp zieht aus, macht Gefangene und foltert sie. Zurück bleibt eine blinde „Barbaren“-Frau, derer sich der Magistrat annimmt. Beschimpft als Verräter, wird er selbst gefoltert.

Der Text des südafrikanischen Nobelpreisträgers John M. Coetzee könnte überall spielen, wo eine Staatsmacht zu ihren Zwecken Feindbilder schafft und dabei selbst grausame Verbrechen begeht. Regisseur Blixa Bargeld, bei der Hamburger Premiere am Freitagabend im Schauspielhaus anwesend, setzt bei seiner Inszenierung auf ein minimalistisches Bühnenbild. Ein weißes, mit Styroporteilchen gefülltes Podest, wirkt unschuldig angesichts der Verbrechen, die darauf begangen werden.

Thomas Thieme als Magistrat bestreitet die 60 Minuten des Stücks nahezu allein. Er kämpft, argumentiert, leidet, durstet, hungert und wirkt dabei so überzeugend, dass der Zuschauer förmlich mit ihm im Kerker sitzt und vor der Staatsmacht zittert. Als Ansprechpartner dienen ihm Stimmen aus dem Off – darunter die Bargelds –, die Worte wie „Zivilisation“ oder „Schmerz ist Wahrheit“ flüstern und schreien. „Das Verbrechen, das wir in uns tragen, müssen wir uns selbst zufügen, nicht anderen“, klagt der Magistrat. Dem ist nichts hinzuzufügen. SÖRRE WIECK