kunst : Begehbare Installation zwischen abgewickelter Industrie und Postmoderne
Kunst und Kalk – das sieht nach einer wunderbaren Freundschaft aus. Seit es auf der Schäl Sick mit der Sanierung richtig losgeht, beschäftigen sich immer mehr Künstler mit dem Kölner Stadtteil; Experimente ziehen eben die Experimentierer an. Und das neue Kalk ist ein großes Experiment. In Kalk geht es zu wie bei Professor Honigtau Bunsenbrenner in den Muppet-Laboratorien, wo die Zukunft schon heute gemacht wird. Wer dieser Tage nach Kalk fährt, landet in einem riesigen Rechtsrhein-in-progress, in einer begehbaren Installation zwischen abgewickelter Industrie und postmodernem Technologiepark, kurz: in einer unfertigen Kunstwelt aus dem Stadt-Labor. Klar, dass so etwas die Künstler inspiriert.
Da ist es nur folgerichtig, dass zur Zeit eine Kunstroute durch Kalk führt. Thema: Ein Stadtteil im Umbruch. Gefördert durch das städtische Kulturamt und das Land NRW, setzt sich der Parcours mit einem herben und spannenden Stadtteil auseinander, einer reichlich zerzausten urbanistischen Larve, die sich gerade an allen Ecken und Enden verpuppt, um irgendwann als futuristischer Schmetterling aus dem Baustellen-Kokon zu schlüpfen.
Vier Stationen umfasst die Kunstprozession, alle liegen nah beieinander. An der ehemaligen Kalker Post hat die Künstlerin Marietta Schwarz einen Bauzaun mit Fotos be(k)lebt: Sie dokumentieren den Bau der „Köln-Arkaden“ direkt gegenüber, und sie zeigen die Chemische Fabrik Kalk, auf deren Gelände die Passagenlandschaft entsteht. Werk und Kunstwerk gehen hier ineinander über, Ansicht und Reflexion vermischen sich.
Mit Fotos hat auch der Beitrag von Günter Vossiek zu tun. Der Kölner fotografierte Kalker Bürgerinnen und Bürger und übertrug ihre Porträts im Großformat auf die Fenster der Halle Kalk. Von industriegrauen, teils blinden oder eingeworfenen Fenstern blicken Gesichter herab. Und signalisieren: Wir wohnen hier – zwischen Abbruch und Aufbruch.
Nebenan im Kalk-Karree lockert eine Installation das fragwürdige Gelb des Foyers auf: eine Art Planschbecken, umgeben von Leinwänden, bestrahlt von zwei Scheinwerfern. Wer mit einem Stock die Wasseroberfläche aufwühlt, kreiert Wellen aus Licht. „Die Tiefgründigkeit des Wassers“ nennt die Schottin Elizabeth Ogilvie ihre Arbeit, die an die Bedeutung natürlicher Ressourcen für Fabriken wie Einkaufspassagen erinnert.
An der Kapelle schließlich eine Wand aus Einmachgläsern, aufgestellt von Joachim Römer. Der Künstler hat Kalker Bürger gefragt, wo es für sie ans Eingemachte geht, und darum gebeten, die Gläser entsprechend zu füllen. Zu sehen sind Kinderbilder, Geld, ein Foto von Angela Merkel. Und ein Wollknäuel, daneben ein Sinnspruch für das neue Kalk: „Loslassen und entwickeln“. Holger Möhlmann
„KunstRoute Kalk“: bis 8. Januar 2005. Öffnungszeiten Kalk-Karree: Mo-Do 8.30-16.30 Uhr, Fr 8.30-12 Uhr