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Archiv-Artikel

kuckensema: auf bremens leinwänden Zwischen Elvis und der Callas: „The Nomi Song“ von Andrew Horn

Die Menschen blickten entsetzt zum nächtlichen Himmel, wo eine fliegende Untertasse erscheint, der nach der Landung ein Außerirdischer entsteigt. Und dieser Mann, der vom Himmel fiel, beginnt zu singen wie die Callas! Mit dieser Collage von Ausschnitten aus Science-Fiction-Filmen aus den 50ern sowie ersten Bildern und Gesängen von Nomi beginnt der Dokumentarfilm „The Nomi Song“ von Andrew Horn und bringt so gleich in der ersten Sequenz die seltsame Faszination auf den Punkt, die Klaus Nomi in den frühen 80er Jahren zu einer Ikone des New Yorker Undergrounds machte.

Dieser sang mit seiner außergewöhnlichen Countertenorstimme Opernarien auf New Wave-Konzerten und verbreitete dabei ein solch heiliges Pathos, dass den zynischen New Yorkern die Spucke wegblieb.

Er wirkte „wie ein Marsmensch, der sich für den Kirchgang ausstaffiert hat“, erzählt jemand in die Kamera, und anhand von wackeligen Amateuraufnahmen von diesen ersten Auftritten kann man dies gut nachempfinden. Schnell stilisierte Klaus Nomi sich selber mit weißgeschminktem Gesicht und roboterhaften Bewegungen als Alien, und weil er ein Meisterschüler der Andy-Warhol-Factory war, gibt es genügend Konzertmitschnitte, Magazincover und Videoclips, um seinen Aufstieg und Fall von lückenlos zu dokumentieren.

Daraus hat der Filmemacher Andrew Horn ein Künstlerporträt gemacht, dass 2004 mit dem Teddy Award für den „besten Dokumentarfilm“ der Berlinale ausgezeichnet wurde, und dies obwohl – oder sogar weil –Klaus Nomi als Mensch darin nie wirklich Konturen gewinnt.

„Ganz tief unten war er oberflächlich“, witzelt einer seiner Bekannten aus jener Zeit. Freunde hatte er keine, das wird in dem Film schnell klar. Eine Tante Trude erzählt immerhin von seinem spießbürgerlichen Elternhaus in Essen und davon, dass seine Mutter ihm die Elvis-Platten wegnahm. Er ging zuerst nach Berlin, wo er als Platzanweiser in der Deutschen Oper nur anderen Sängern zuhörte und dann nach New York, wo er lange von „Pizza and Donuts“ lebte, bis er sich als Kunstfigur neu entwarf.

Das große Rollenmodell war dabei David Bowie, als dessen Begleitsänger Nomi einmal auftrat. Das Kostüm, das Bowie dort trug, kupferte Nomis Schneider dann hemmungslos ab, und mit diesem kubistischen Frackoberteil und den absurd verbreiterten Schultern war das Image Nomis perfekt. Es ist fast schon komisch, wie exakt danach seine Karriere den Klischees vom Popbusiness entspricht. Es ist alles da: die Bandmitglieder der ersten Stunde, die das Produkt „Nomi“ mit erschufen, aber nach den ersten Erfolgen im Stich gelassen und von beliebigen Profimusikern ersetzt wurden, der Knebelvertrag mit einem großen Plattenlabel, der internationale Durchbruch mit einem viel kommerzielleren Konzept, das die ehemaligen Fans enttäuschte. Dann der Ruhm, der den Star immer einsamer werden ließ und schließlich das schlimme Ende.

Als einer der ersten Prominenten starb Klaus Nomi 1983 an Aids, und natürlich muss einer der Zeitzeugen im Film sagen: „Eigentlich war sein Tod wie das Finale einer großen tragischen Oper!“ „The Nomi Song“ ist gespickt mit solchen Sätzen, die in jedem anderen Kontext peinlich klingen würden, aber bei diesem sonderbaren Fremdling nur angebracht erscheinen.

Wilfried Hippen

„The Nomi Song“ läuft Do, So & Di um 18. 00, sowie Fr. & Sa um 20.30 und 22.30 in der Originalfassung mit Untertiteln im Kino 46