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kritisch gesehen: „béatrice et bénedict“, theater bremenDie Oper mit dem Spaßvogel

Strahlender Klangleib: Ulrike Mayer setzt sich als Béatrice auch gegen ihr Double Mirjam Rast durch Foto: Jörg Landsberg/Theater Bremen

Witzig wäre ja gewesen, wenn Hector Berlioz (1803–1869) seine Shakespeare-Oper damals im Jahr 1862 nach dem Original-Drama benannt hätte. Im Deutschen und Französischen heißt die Eheanbahnungs-Komödie „Viel Lärm“ oder eben „Beaucoup de bruit pour rien“. Und das wäre ein prima Titel für ein Musiktheaterstück und erst recht fürs selbstbestimmte Ende der Komponistenkarriere gewesen.

Aber auch etwas Hochstapelei. Denn aus dem Theaterstück hat Berlioz fürs Libretto nur die Nebenhandlung ums komische Paar genutzt, nach deren Hauptfiguren die Oper „Béatrice et Bénédict“ heißt. Denen bringt die Gesellschaft bei, dass sie einander zu lieben und zu heiraten haben, obwohl sie einander ostentativ ablehnen. In ihrem darum ausgetragenen Intimkrieg, der ein Echo des der Handlung vorangehenden Großkriegs bildet, wird dann die richtige Ordnung hergestellt.

Mehr über die Handlung braucht kein Mensch zu wissen. Interessant am Werk ist eigentlich nur, dass die Musik ständig in Widerspruch zur fatalen Heiterkeit dieses Geschehens gerät: Um mit ihr Schabernack zu treiben, wie Gioachino Rossini, den Berlioz hasste, oder Jacques Offenbach, den er ignorierte, war dem Komponisten die Musik zu heilig. Wahrscheinlich konnte er’s auch nicht. Berühmt für schwelgend-dramatische Symphonik, spaltet er hier das Orchester gleichsam in Klein-Ensembles auf, schreibt Kammermusik, im Grunde, die, gattungstypisch, vom umgebenden Text ironisiert wird, selbst aber nie komisch; sie kommt melancholisch daher, lyrisch und intim.

Gerade deshalb aber lassen sich an dieses Kleinod der heteronormativen Opernliteratur sowohl soziologische – so geschehen bei Eva Illouz – als auch psychologische Erklärmodelle – Julia Kristeva – bedenkenlos anflanschen. Die Folge: Seit zehn Jahren drängt das Stück allüberall auf die Spielpläne, vergangenes Jahr in Braunschweig, davor in Köln, da und dort in Belgien und Frankreich. Jetzt, seit 9. Februar, in Bremen.

Hier hat es Susanne Lietzow in Szene gesetzt: Aurel Lenfert hat ihr dafür eine plastikspielzeugfarbene Paradieslandschaft mit monströsen Dill- und Rosenblüten sowie Riesen-Flamingo gebaut. Den gibt’s dank Petra Zöpnek auch noch in videoanimiert, damit auch wirklich allen klar ist, dass es sich um einen Spaßvogel handelt. Dieses Bemühen um Deutlichkeit ist auch der Dialogfassung von Nina Maria Metzger zu eigen. Ihr Schlussgag: Am Ende heiraten nicht alle, sondern fast alle nicht. Im restlichen Stück hat sie die müden Späße von Berlioz, die das Libretto so schwerfällig machen, durch eigene Kalauer überschrieben, die matt wirken. Und sobald die Aufführung einmal das für Klamauk nötige Tempo erreicht, sorgt eine dramaturgisch dysfunktionale Pause für eine Vollbremsung.

Die wichtigste Regie- und Bearbeitungsaufgabe wäre gewesen, möglichst viel vom Text-Ballast loszuwerden, um die Musik schweben zu lassen. Denn die nuancenreich aufspielenden Philharmoniker und die So­lis­t*in­nen hätten’s ja drauf gehabt. Aber Lietzow gibt den Dialogen noch zusätzliches Gewicht, indem sie die Titelpartien durch Schauspielerin Mirjam Rast und Christian Freund verdoppelt. Zumal Rast entwickelt dabei eine tolle Präsenz. Aber die lenkt eher ab davon, wie schön Ulrike Mayer auch in den herben Tiefen der Béatrice-Partie noch einen strahlenden Klangleib verleiht, und wie intelligent Oliver Sewells Tenor Bénédicts Zerrissenheit in den Raum stellt.

„Béatrice et Bénédict“. Wieder am 6. + 29. 3.; 24. 4. und 9. 5., Theater Bremen, Großes Haus

Benno Schirrmeister

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