kommentar : SPD: Eine Partei namens Schröder
Die SPD-Spitze erpresst ihre Basis. Und zwar ganz schmucklos. Generalsekretär Olaf Scholz kam gestern gleich zum Punkt: Die Delegierten auf dem Sonderparteitag haben nur eine Wahl. Sie lautet „Ja“ oder „Nein“ zum Kanzler. Es gehe um nichts weniger als die „Regierungsfähigkeit der SPD“. Wer gegen die Sozialreformen stimmt, stimmt gegen Kanzler Schröder und damit – so die Logik – gegen die eigene Partei.
Bei den Sozialdemokraten wird nicht lange hübsch drum herumgeredet wie bei den Grünen, die auf ihrem Sonderparteitag „diskutieren“ wollen, wie Parteichefin Angelika Beer gestern ankündigte. Nein. Generalsekretär Olaf Scholz nimmt den „General“ in seinem Titel ernst: Er zieht in eine Schlacht – und die muss gewonnen werden. Da kann es keine Kompromisse geben; solche falschen Versprechungen würden die Sicht nur vernebeln.
Diese Erpressung ist legitim: Es existiert keine Alternative zu dieser gnadenlosen Inszenierung, die Scholz „Zuspitzung“ nennt. Auf einem Sonderparteitag geht es tatsächlich nur um „Ja“ oder „Nein“ zum Kanzler und zu seiner Regierungserklärung. Denn Medien und Bürger verlangen eine „geschlossene Partei“, Flügelkämpfe werden abgestraft. Da darf es nicht lange um Einzelpunkte gehen, die Laien verwirren. Da wird jede wirkliche Debatte gefährlich, weil sie wie ein fundamentaler Streit zwischen Genossen wirken könnte.
Die allermeisten SPD-Mitglieder sind Realisten und wissen, dass sie echten Widerspruch nicht riskieren dürfen. Deswegen wird die Erpressung ja auch so unbedingt funktionieren. Der Generalsekretär kann beruhigt mit einer „breiten Mehrheit“ für seinen Parteichef rechnen.
Dennoch ist diese Logik fatal, die da lautet: Wer gegen Schröder stimmt, stimmt gegen die Partei. Denn sie bedeutet in ihrer Umkehrung: Schröder ist die Partei. Circa 670.000 Mitglieder müssen sich eingestehen, dass sie eigentlich bedeutungslos sind. Sie haben nicht mehr Einfluss als der normale Wähler. Wer keine Parteikarriere machen kann oder nicht zufällig sowieso immer denkt, was der Kanzler meint – der wird sich fragen, warum er für diese Ein-Mann-Schröder-SPD seine Freizeit opfern soll.
Diese Frage der ehrenamtlichen Genossen – „was sollen wir hier?“ – ist nicht neu. Deswegen wurden ja basisdemokratische Instrumente eingeführt, etwa das Mitgliederbegehren oder die Internetforen der „Netzwerkpartei“. Es ist ironisch: Je stärker sich die Basis beteiligen will, desto häufiger wird sie vor „Wahlen“ gestellt, die keine sind. Was den Mitgliedern Macht verleihen sollte, führt ihre Machtlosigkeit vor. ULRIKE HERRMANN