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Archiv-Artikel

kommentar Willkommen im Ein-Euro-Land

Wer durch Billig-Supermärkte schlendert, kann ins Staunen kommen: wie viel man für einen Euro kriegen kann. Sind die Ein-Euro-Jobs der Hartz-Reform also doch nicht so schlimm? Schließlich kann man sich mit einem Tagesverdienst den Bauch mit Discounterfood vollschlagen – und das eine oder andere Bier zum Beruhigen ist auch noch drin.

Klar, die rund 170 Euro, die sich im Monat mit einem Ein-Euro-Vollzeit-Job verdienen lassen, sind nicht alles, was den Betroffenen bleibt. Sie sind ein Taschengeld, das ihre Lage kaum besser macht. Denn wenn die Billig-Jobber ihre Arbeit in der Kita-Küche oder in den Parkbeeten beendet haben, stehen sie da wie zuvor: mit leeren Händen. Sie erwerben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I, bleiben im Teufelskreis von Arbeitsagentur und Arbeitsgelegenheit. Dass Laubharken jemanden dazu qualifizieren soll, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, dürften selbst die Hartz-Durchpeitscher von SPD, Grünen, CDU und FDP kaum glauben.

Neu ist das alles nicht: Schon bisher werden Sozialhilfe-Empfänger dazu verdonnert, gemeinnützige Arbeit für einen geringen Lohn anzunehmen. Neu ist nur: Mit Hartz IV erweitert sich der Personenkreis der Betroffenen, klassische arbeitsmarktpolitische Maßnahmen werden zurückgefahren. Und eine Befürchtung bleibt: Der Gärtner oder die Kita-Köchin werden entlassen, ein paar Monate später kommen Ein-Euro-Jobber.

Lässt schon materiell der Ein-Euro-Job für die Betroffenen – die Auftraggeber freuen sich über billige Arbeitskräfte – wenig Gutes vermuten, wie wirkt sich die kaum bezahlte Arbeit psychisch aus? Freuen sie sich über sinnvolle Beschäftigung und einen geregelten Tagesablauf, wie Hartz-Befürworter meinen, oder empfinden sie die Jobs als Zwang und Erniedrigung? Schließlich haben viele der heutigen Arbeitslosenhilfebezieher jahrelang gearbeitet – zu deutlich höheren Löhnen. Insofern beinhalten die Ein-Euro-Jobs auch eine Botschaft an die, die noch einen Job haben: wer nicht rackert und nicht kuscht, könnte sich schnell im Ein-Euro-Land wiederfinden.

RICHARD ROTHER