kommentar : Führungskrise in der CDU – und Merkels Gegner lauern
Die von der CDU propagierte Wertedebatte wird ohne Laurenz Meyer stattfinden, was für die politischen Gegner der Union sehr betrüblich ist und die Öffentlichkeit um manch hübsche Situationskomik bringt. Einige Leute dürften jetzt trotzdem herzlich lachen, vor allem die Rivalen von Angela Merkel in den eigenen Reihen. Sie ist angezählt. Nicht nur deshalb, weil sie auf die Affäre seltsam zögerlich und unprofessionell reagiert hat, sondern vor allem deshalb, weil Parteivorsitzende qua Funktion keine engeren Mitarbeiter und Verbündete haben als ihre Generalsekretäre. Jeder erfolgreiche Angriff auf einen Generalsekretär trifft auch dessen Chef oder Chefin. Manche Angriffe werden überhaupt nur deshalb gestartet.
Vermutlich wird im Dunkeln bleiben, wer die Informationen über die Einkünfte von Laurenz Meyer tatsächlich lanciert hat. Aber es ist aufschlussreich, wie ausdauernd in Berlin derzeit darüber spekuliert wird, ob die ersten Hinweise nicht möglicherweise aus den Kreisen der Union selbst stammten. Und es ist ebenso aufschlussreich, wie wenig Solidarität und Unterstützung der doch recht erfolgreiche CDU-Generalsekretär in den letzten Tagen erfahren hat. Nicht etwa, dass er sie verdient hätte. Aber es haben sich Politiker – wie beispielsweise Altkanzler Helmut Kohl – noch erheblich mehr zuschulden kommen lassen als Meyer, und sie konnten trotzdem weiter auf ihre politischen Freunde bauen.
Rache ist ein Gericht, das kalt genossen wird. Angela Merkel hat sich während ihrer Amtszeit viele Feinde gemacht und nur wenige verlässliche Verbündete gewonnen. Erst vor ein paar Wochen hatte sie erhebliche Schwierigkeiten, einen Nachfolger für Friedrich Merz zu finden. Nun kann sie die Lücke in der Parteizentrale nur schließen, indem sie zugleich ein Loch in die Fraktionsführung reißt.
Es geht offenbar gar nicht mehr darum, wie viele Fehlgriffe sie sich leisten kann, sondern darum, ob Angela Merkel überhaupt noch jemanden für die wichtigsten Funktionen findet, die sie zu besetzen hat. Wer empfindet in dieser Situation wohl die größere Schadenfreude: die ausgebooteten Rivalen der Vergangenheit oder die erstarkenden Rivalen der Zukunft? Schwer zu sagen. Schließlich ist angesichts der Führungskrise in der CDU nicht auszuschließen, dass manche der Verlierer von gestern die Sieger von morgen sind. Die Spitzenkandidaten der bevorstehenden Landtagswahlen sind damit allerdings nicht gemeint. BETTINA GAUS