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kommentarCDU und CSU wollen Spätabtreibung erschweren

Hässliches Spiegelbild

In der Anzeige der „Lebenshilfe für geistig Behinderte“ war das Bild eines Babys zu sehen, darüber beugte sich die Mutter. Daneben stand sinngemäß: „Ein neues Leben beginnt. Martin ist geistig behindert.“ In der Tat: Die Geburt eines behinderten Kindes bedeutet vor allem für die Mutter einen neuen Lebensabschnitt. Denn nach wie vor sind es meist die Mütter, die sich um ihren behinderten Nachwuchs kümmern. Deswegen hat niemand das Recht, den Müttern eine einmal gegebene Entscheidungsfreiheit, ob sie ein behindertes Kind zur Welt bringen wollen oder nicht, wieder zu nehmen.

In einem neuen Gesetzesantrag zum Paragraf 218 will die CDU/CSU-Fraktion Spätabtreibungen erschweren. Bisher sind späte Abtreibungen erlaubt, wenn das Austragen des Kindes eine Gefahr für das Leben oder die körperliche und geistige Gesundheit der Frau darstellt. In der Praxis werden Föten, bei denen man erst sehr spät eine schwere Behinderung feststellt, mitunter durch Injektionen ins Herz getötet und mit künstlichen Wehen ausgetrieben. Man kann davon ausgehen, dass jedem der jährlich nur etwa 150 Schwangerschaftsabbrüche nach der 22. Woche schwerste innere Kämpfe vorausgegangen sind – es dürfte wohl keine Frau geben, die nicht auch hinterher, vielleicht ein Leben lang, mit Schuldgefühlen zu kämpfen hat. Trotzdem hat sie ein Recht auf diese Entscheidung. Denn die Eltern, vielleicht nur die Mutter allein müssen später die Verantwortung für das Kind tragen – in einer hoch selektiven, ausgrenzenden Leistungsgesellschaft.

Diese Gesellschaft wird kein bisschen besser, wenn Spätabtreibungen erschwert werden – auch nicht, wenn CDU/CSU ein paar Mark mehr für Behindertenförderung zur Verfügung stellen wollen. Spätabtreibungen sind vielmehr das hässliche, grausige Spiegelbild einer hoch individualisierten und selektiven Gesellschaft. Aber nur weil man nicht in diesen Spiegel schauen will, kann man einzelnen Müttern jetzt nicht die vorhandenen Möglichkeiten von späten Abbrüchen wieder wegnehmen. Betroffene würden die Abbrüche dann ohnehin nur im Ausland vornehmen lassen.

Mütter sind keine Versuchskaninchen, die man benutzen kann, damit der Rest der Gesellschaft ein bisschen sauberer aussieht. Genau das aber tut die CDU/CSU. Sie beginnt im Rahmen der Gen-Ethik-Debatten mit ihrem Gesetzesantrag zum Abtreibungsrecht nur einen neuen moralischen Feldzug. Auf Kosten der Mütter. Das ist sehr unredlich.

BARBARA DRIBBUSCH

bericht SEITE 7

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