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Früher extrem, heute extrem: Die deutsche Außenpolitik bleibt pubertär
Gerhard Schröder und Joschka Fischer haben Recht. In der aktuellen Krise wird nicht nur Krieg und Frieden verhandelt, sondern auch die Frage, wie Deutschland Außenpolitik betreibt. Eine erste Antwort gibt es bereits: Früher haben wir uns versteckt – heute machen wir mit. Auch wenn es linken Warnern vor deutschen Großmachtallüren nicht passt: Es ist durchaus ehrenwert, eine eigenständige Außenpolitik zu betreiben. Das Problem mit der rot-grünen Außenpolitik ist nur, dass sie pubertär ist.
Schröder und Fischer haben Recht, wenn sie sagen, die Rezepte der Westrepublik vor 1989 taugten nicht mehr. Doch ihre Antwort auf die neue Zeit lautet „unbedingte Solidarität mit den USA“. Als Floskel mag der Satz gut klingen; als politisches Konzept verhindert er, dass die deutsche Außenpolitik erwachsen wird. Unbedingte Solidarität ist ein Konzept aus der Zeit der Unreife: Früher haben wir nie mitgemacht – jetzt machen wir immer mit. Eine solche Einstellung ist typisch für die Pubertät: Man arbeitet sich an anderen ab – an Vorbildern wie Feindbildern –, statt zu einer eigenen gefestigten Position zu kommen.
Damit drücken wir uns vor der Selbstbestimmung – mit ihren produktiven wie problematischen Konsequenzen: der Freiheit zu handeln – und der Verantwortung, für die Folgen dieses Handelns einzustehen.
Für eine deutsche Beteiligung an einer US-Militäroperation heißt das, nicht die deutsche Positionsbestimmung von amerikanischen Vorgaben abhängig zu machen. Die Bundesrepublik sollte eine eigene Position formulieren. Stattdessen sagen Bundesregierung und Parlament den USA militärische Unterstützung zu, ohne Grenzen zu nennen. Schröders vage Einschränkung, Deutschland sei für Abenteuer nicht zu haben, taugt nicht viel.
Natürlich haben Fischer und Schröder Recht, wenn sie ihren Einfluss auf die Entscheidungsfindung von George Bush begrenzt nennen. Natürlich wäre es politisch unklug und persönlich vermessen, den USA Vorschriften zu machen. Aber eine deutsche Position wird niemand in Washington den Deutschen verdenken. George Bush hat gerade erst wieder deutlich gemacht, dass die Bündnispartner über ihr Maß und ihre Form der Unterstützung entscheiden sollten.
Statt bange zu warten, wozu wir gerufen werden, sollten wir klar sagen, wozu wir bereit sind – und wozu nicht. Wenn erst die USA zum Angriff übergehen und uns anschließend um Beistand bitten, reicht weder die Zeit, noch ist das politische Klima offen genug, zu einer maßvollen und überlegten Entscheidung zu kommen.
Am meisten würden von der deutschen Klarheit die Amerikaner profitieren. Wenn die Bundesrepublik eindeutig Stellung bezieht, sind wir die besseren Bündnispartner, nicht die schlechteren. Gerade wenn es der Bundesregierung mit der Solidarität ernst ist, gilt: Angebote macht man von sich aus. Die Amerikaner wissen dann, was sie von Deutschland erwarten können. Diese Klarheit macht uns verlässlicher – und souveräner. PATRIK SCHWARZ
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