kommentar: Für Politiker gelten strengere Regeln
Gottlob. Rudolf Scharping wird der Stuhl vor die Tür gesetzt. Schnell, unzeremoniell und schonungslos. Eine politische Laufbahn geht auf besonders unrühmliche Weise zu Ende, und genau das hat der Verteidigungsminister auch verdient. Das vielleicht Beste an dieser – dann doch überraschend schnell erfolgten – Entscheidung ist die Diskussion, die uns erspart geblieben ist. Als die ersten Informationen über anrüchige geschäftliche Beziehungen des Verteidigungsministers zu einem Lobbyisten veröffentlicht wurden, da stand noch zu befürchten, dass die Frage der Strafbarkeit dieser Verbindung die Diskussion nun über Wochen beherrschen würde. Darum geht es aber nicht.
Bis zum Beweis des Gegenteils kann angenommen werden, dass sich Scharping im juristischen Sinne korrekt verhalten hat. Medien haben die Frage aufgeworfen, ob der Minister seine Spekulationsgewinne auch ordentlich versteuert hat, und die Union interessiert sich für mögliche unzulässige Einkünfte des Amtsträgers. All das liegt neben der Sache. Für Politiker gelten nicht nur die Regeln des geschriebenen Rechts. In finanziellen Angelegenheiten ist ihre Privatsphäre zu Recht eingeschränkt. Schließlich sind sie weder Tennisprofis noch Schlagerstars – also gelegentlich auch ohne Androhung einer Haftstrafe nicht mehr auf ihrem Posten zu halten.
Für Lobbyisten sind Volksvertreter grundsätzlich interessant – und zwar deshalb, weil sie davon Vorteile erhoffen. Die sind nicht immer in Zahlen messbar. Es mag sich für Moritz Hunzinger durchaus gelohnt haben, dass er Rüstungsvertretern ein Gespräch mit dem Minister vermitteln konnte. Da konnte er sich im Gegenzug auch mal als gefällig erweisen. Kein Politiker sollte mit einem Lobbyisten so eng verbandelt sein, dass er diesem sogar Kontrollvollmacht erteilt. Es ist eben weder eine rein private noch eine rein juristische Frage, mit wem er geschäftliche Verbindungen pflegt.
Allerdings ist es bezeichnend, dass sich die Union im Zusammenhang mit der Scharping-Affäre weniger für die Fragen des politischen Anstands als für die rechtlichen Aspekte der Angelegenheit interessiert. Wäre es anders, dann hätte sie Helmut Kohl nicht derart selbstverständlich in ihren Reihen wieder aufnehmen dürfen. Die Affäre wird sich für Rot-Grün im Wahlkampf negativ auswirken. Das ist ungerecht. Hinsichtlich des Verfalls politischer Sitten muss sich die Union – noch immer – mehr vorwerfen lassen als die SPD. BETTINA GAUS
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