kommentar von Jan Kahlcke: Der Macher der Flüchtlingskrise
Der Sportsenator geruht, im Amt zu bleiben. Das ist dieser Tage eine Nachricht, die er die taz persönlich wissen ließ. Zu wild waren in den vergangenen Tagen die Spekulationen ins Kraut geschossen, er erwäge wegen der gescheiterten Olympiabewerbung einen baldigen Rücktritt. Wirklich alles nur Spekulationen?
Nun, Michael Neumann hat gar nicht erst versucht zu verbergen, dass das Scheitern im Olympiareferendum ihm persönlich schwer zugesetzt hat, gerade weil es aus seiner Sicht so unvorhergesehen kam. Letzteres wäre ein honoriger Rücktrittsgrund, offenbart es doch eine gewisse Entfernung vom Volk. Allerdings könnten dann gleich neun Zehntel der Hamburger Politiker ihren Hut nehmen, denn kommen sah das Fiasko der Olympia-Freunde so gut wie niemand. Und, ehrlich gesagt, müsste dann auch in Hamburger Medienhäusern mancher gehen.
Wenn denn partout jemand für den Olympia-Reinfall den Kopf hinhalten sollte, dann Bürgermeister Olaf Scholz. Er war es schließlich, der mit ungekannter Chuzpe versucht hat, den Bundesfinanzminister zu einer Blanko-Finanzzusage zu erpressen – erfolglos, was die Stimmung kippen ließ.
Michael Neumann hätte dennoch gute Gründe, zurückzutreten. Schon seit langem wird ihm Amtsmüdigkeit nachgesagt. In die Olympiabewerbung hat er alle Kraft reingeworfen, wie er sich ohne sein zentrales Projekt noch motivieren soll, ist fraglich.
Dabei gäbe es dringenden Bedarf nach einem zupackenden Senator – in seinem Zweit-Beritt Inneres: Von einer „Flüchtlingskrise“ darf man in Hamburg tatsächlich sprechen – dank des völligen Versagens von Neumanns Innenbehörde. Die hat viel zu spät Erstaufnahme-Unterkünfte bereitgestellt, zum Teil ohne Duschen und Betten. Aus der Sozialbehörde, die die Unterkünfte betreiben muss, waren wenig freundliche Worte über die Kollegen zu hören.
In der Zentralen Erstaufnahme in Harburg waren die Zustände lange Zeit kaum weniger unmenschlich als im berüchtigten Berliner Lageso – Neumanns Glück, dass die Weltpresse nicht auf Hamburg blickt.
Dass Neumann sich von seinem Vize-Polizeichef vorführen ließ, als der 2014 ganz St. Pauli zum Gefahrengebiet machte; dass der Senator scheibchenweise illegale Praktiken seiner verdeckten Ermittlerinnen in der linken Szene einräumt – das sind nur weitere Schlaglichter auf einen glücklosen Innensenator.
Zurücktreten darf Neumann trotzdem nicht: Olaf Scholz kann sich nach Sozialsenator Detlef Scheele nicht den nächsten prominenten Abgang leisten. Und im jetzigen Zustand würde die Innenbehörde den designierten Nachfolger, SPD-Fraktionschef Andreas Dressel, beschädigen. Neumann muss wenigstens das Flüchtlingschaos ordnen. Das hat der Hauptmann der Reserve als guter Parteisoldat auch verstanden.
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