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kolumne machtEs entscheidet, wer Verantwortung trägt

Wenn es der Sache dient, darf man sogar in der taz autoritär sein. Zum Abschied von Karl-Heinz Ruch

Foto: Anja Weber

Bettina Gaus

ist politische Korrespondentin der taz

Manches wird genau deshalb geglaubt, weil es sich nicht beweisen lässt. So gibt es gar nicht so wenige Leute, die überzeugt sind, dass die Pyramiden von Außerirdischen gebaut wurden. Zu denen gehöre ich nicht. Aber es gibt anderes, das nicht weniger schwer nachzuweisen ist. Und dennoch real zu sein scheint. So bin ich ziemlich sicher, dass Karl-Heinz Ruch immer dann ein leicht maliziöses Lächeln aufsetzte, wenn der Slogan „Keine Macht für niemand!“ fiel. Und dass er dann zu sich selbst – und nur zu sich selbst – sagte: „Außer für mich!“

Keine Macht für niemand: Der berühmte Titel der Band „Ton Steine Scherben“ spiegelte ein Lebensgefühl wider, das auch Pate bei der Gründung der taz 1978 stand. Kalle Ruch war dabei, damals. Und doch auch nicht dabei: Der Einzige unter all den Gründerinnen und Gründern von damals, der sich mehr für wirtschaftliche Zusammenhänge als für Inhalte interessierte. Der dabei blieb. Und ohne den es – vermutlich – die taz heute nicht mehr geben würde.

Kalle konnte und kann einen rasend machen. Worüber auch immer die Redaktion gerade stritt: Es war ihm stets vollständig gleichgültig – oder schien es jedenfalls zu sein. Er machte „sein Ding“. Schweigend, undurchschaubar. Als der taz das Wasser bis zum Hals stand, mindestens, da wünschten sich viele im Haus einen „guten“ Verleger. Der uns allen akzeptable Gehälter – endlich! – und halbwegs gute Bedingungen für Recherche garantieren würde. Ich wollte das auch.

Und was tat Kalle? Er ebnete den Weg für die Genossenschaft, die es noch heute gibt. Und die der taz das Überleben sicherte, ohne Verleger, ohne Autorität von außen. Danke, auch dafür.

Keine Macht für niemand? Mag ja sein – nein, ist so! –, dass Kalle sich nicht sonderlich für Feinheiten des Streits innerhalb der Linken interessierte und interessiert. Wohl aber für die Frage, wie ein Medium überleben kann, innerhalb dessen diese Frage ausgetragen werden darf.

Karl-Heinz Ruch hat sehr früh dafür Sorge getragen, dass die taz als Marke für mehr stand als für die gedruckte Zeitung. Kongresse, Sonderausgaben, fair gehandelter Kaffee. Diversifizierung.

Keine Macht für niemand – außer für ihn selbst? Nein, das wäre Unfug. Grober Unfug sogar. Denn es ging ihm ja niemals um sich selbst, schon gar nicht um die eigene Karriere – sondern, so altmodisch das klingt: um die Sache. Um die Sache taz, der er sich sein Leben lang verschrieben hat. Also: dafür zu kämpfen, dass es eine kleine, unabhängige Zeitung gibt, ohne Verleger und Verlegerinnen. Demokratisch organisiert. Deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schreiben dürfen und können, was sie wollen. Ohne Angst vor einer Kündigung, weil sie die „falsche“ Meinung vertreten. Das hat (fast) immer funktioniert.

Aber bevor uns jetzt allen Tränen der Rührung in die Augen steigen: Natürlich kann Kalle unerträglich sein. „Wer Verantwortung trägt, entscheidet“, ist, wie aus dem Vorstand zu hören ist, ein von ihm gern benutzter Satz im Gremium. Wie autoritär darf man sein in einem Medium wie der taz? Offenbar fast grenzenlos autoritär. Wenn es denn der Sache dient.

Und dieser Sache hat Karl-Heinz Ruch ­gedient. Ach, Kalle. Ja: Der Übergang scheint ­gesichert zu sein. Aber wir müssen jetzt eben ohne dich und deine unfassbar selbst­sicher erscheinende Urteilsfähigkeit auskommen. Nein, ich zweifle nicht an der Kompetenz deiner Nachfolger. Aber möchtest du nicht trotzdem noch ein wenig bleiben? So ein, zwei, 120 Jahre? Das wäre nett. Und ich würde sehr gerne unentwegt weiter mit dir streiten.

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