karnevalssitzung : Dauerbrenner ohne Killer-Pointe
Karneval ist Tradition und Revolte (auf Zeit) zugleich. Die „Stunksitzung“ hat mit Kabarett und Artistik das Einerlei der offiziellen Sitzungen umgestürzt, „Fatal banal“ hat es wenige Jahre später nachgemacht. Seitdem sind beide fester Bestandteil des Karnevals und in der Regel schon Wochen vorher ausverkauft.
Die Vorfreude ist eben groß. Im 14. Jahr „Fatal banal“ aber wird sie enttäuscht. Zwar ist das Themengebiet weit gespannt: Gesundheitsreform (ein Reiseservice mit dem Sonderangebot „Fly & Die“ und der Teilnahme an einer Organspende), ungesunde Ernährung, der Weltjugendtag auf den Poller Wiesen (wenn die erwartete Million Pilger auf die KVB angewiesen sind, dauert es 111 Jahre, bis alle da sind), der offizielle kölsche Karneval (von einem Alt-Bierbrauer gesponsert). Doch die Sketche ziehen sich, es fehlt der Biss, die letzte Killer-Pointe. Weder der Dauerbrenner „Schantalls Mutter“, die bodenständige Mutter mit Erziehungsproblemen, noch Sitzungspräsident Christoph Stubbe erreichen die gewohnte Klasse.
Auch das ganz Aktuelle wird vermisst, die Ankündigung von „Sakralem und Spirituellem“ in Anlehnung an US-Präsident George W. Bush erweist sich als heiße Luft. Dabei liegt der christliche Fundamentalismus in Köln vor der (Dom-)Tür.
Doch es gibt auch drei funkelnde Edelsteine im Programm: Da ist das „Wartezonen-Ballett“, bei dem die rund 20 Akteure, dirigiert von einer Lautsprecherstimme, in der Agentur für Arbeit von Stuhl zu Stuhl hetzen. Dann die an absurdes Theater reichende Szene mit zwei Migranten, die durch Schweigen kommunizieren und denen, wenn sie denn Worte finden, die Werbesprache für Anoraks genug ist. Schließlich der rheinische Dreikampf „Saufen – kotzen – bützen“. Wen wundert‘s: Ein Rheinländer gewinnt durch überragende Kussleistung im Ring.
Auch der alternative Karnevalist will schunkeln und singen. Dazu findet er bei „Fatal banal“ reichlich Gelegenheit in überschaubarem Ambiente. Wozu nicht zuletzt die Hausband „Die Trauzeugen“ beiträgt. So ist das Publikum am Ende zufrieden und klatscht lange Beifall.
JÜRGEN SCHÖN
„Fatal banal“: 2., 4. bis 6. Februar, 20 Uhr, Bürgerzentrum Ehrenfeld, Venloer Str. 429, Tel 0221/54 21 11