kabolzschüsse: Auf der Suche nach Berlins randigster Randsportart
Taekwondo
Taek ist der Fuß. Won die Faust. Und Do ist der Weg, auf dem Füße und Fäuste zu schwingen sind. Damit lässt sich viel Schaden anrichten. Die Wettkämpfer des Taekwondo kontakten voll. Sie schlagen sich. Spektakulär sind die Fußtechniken, mit denen auch Lara Croft ihr virtuelles Dasein als üppige Amazone fristet. Es braucht nicht viel, um Weltmeister zu werden. Zwei, drei Techniken genügen, insofern es dem Angreifer gelingt, oft genug einen Zeh in die Nase des Gegenübers zu stecken und er also Punkte sammelt für die Attacken auf den helmgeschützten Kopf. Das ist die eine Welt des in acht Gewichtsklassen unterteilten Taekwondo – die Welt der Aggression und der bösen Absicht. Auf der anderen siedeln Meditationstechniken, der Einschrittwettkampf, selbstverteidigende Übungen, das so genannte Poomse laufen und Bruchtests. Dazu später.
Entgegen der reflexhaften Annahme, asiatischer Kampfsport gründe auf einer ewigen Geschichte, ist Taekwondo jung. Sehr jung sogar. Erst in den fünfziger Jahren wurde es designt. Der koreanische General Choi Hong Hi legte den Grundstein für eine Sportart, die für die Befreiung vom Joch japanischer Kolonialherrschaft stehen sollte. Er gründete die International Taekwondo Federation (ITF). Dieser Verband schaffte es nie nach Olympia. Ein Mann namens Un Yong Kim bemächtigte sich in den Siebzigern des Sports. Im Auftrag der südkoreanischen Militärjunta destillierte Kim aus der ursprünglichen Version die brutale Essenz heraus, was sich auch nicht schlecht in der Ausbildung von Spezialeinheiten machte. Kim rief den Konkurrenzverband World Taekwondo Federation (WTF) aus.
Fortan fand ein gewisser Juan Antonio Samaranch gefallen am WTF. Das hatte natürlich mit Geheimdienstler Kim zu tun, der im koreanischen Secret Service KCIA unter den Namen „Mickey Kim“ firmierte. Kim, wind- und wetterwendisch, brachte es bis in den Vorstand des IOC. In Sydney demonstrieren nun die Taekwondo-Sportler nicht nur ihre Art des Kampfes, sie dürfen diesmal um richtige Medaillen kämpfen, höchst zweifelhaft nach der Charta des IOC, die vorgibt, eine olympische Disziplin müsse Sieger aus allen Kontinenten hervorbringen können. Die Superfäuste und Schnippfüße kommen aber fast alle aus Korea. Im Süden des Landes ist Taekwondo der verordnete Volkssport Nummer eins, was die Bevökerung nicht davon abhält, Fußball und Baseball mehr zu mögen.
Choi erkennt in der usurpatorischen Variante seines Sports nur noch eine Karate-Chimäre. Tark Kwang-Yin vom Berliner Taekwondo Sportclub Choi ist zwischen Kim und Choi „im Zwiespalt dabei“. Der Wettkampf sei nur ein kleiner Bruchteil des Taekwondo, stellt Yin klar. Zu Olympia sagt er „Jein“. Zurzeit übt Yin eine Bruchtechnik mit Kieselsteinen ein. Die Ytong-Klasse hat er schon transzendiert. Alles eine Frage der Technik. Oder der Meditation. Er hat in Korea zum Sport gefunden. Der Drill junger Talente beginnt dort frühzeitig. Der Sport nach Art des Choi wird in Nordkorea weitergeführt und vor allem in Kanada, wo „der General“, wie Yin anfängt, Asyl für die ITF gefunden hat. Und zur Politik um Taekwondo sagt er: „Alle denken jetzt, wir sind Mafiosi und die Mütter schreien ‚O Gott, wo schicke ich da mein Kind bloß hin.‘“ Dabei macht man es doch auch in Berlin „nur für die Gesundheit“.
Etwa 1.200 Hauptstädter sind in zwölf Vereinen organisiert. Im Vergleich zu den weltweit fünf Millionen Dan-Trägern des ersten Grades ein Klacks. Neun Dans gibt's, in Berlin zehn Großmeister. Man stehe noch am Anfang in Deutschland, so Yin, obgleich der kleine deutsche Verband neulich eine Revolte gegen die große WTF wagte. Die Dan-Prüfungen sollten über die Deutschen laufen, nicht wie üblich über den Weltverband. Die Verbandsrevolution scheiterte. Kim lebt.
MARKUS VÖLKER
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