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kabolzschüsseAuf der Suche nach Berlins randigster Randsportart

Punk-Golf

Hatte Manfred von Richthofen die Punk-Golfer im Sinn, als er, der Chef des Deutschen Sportbundes, neulich vor den versammelten Verbandsgolfern in Frankfurt am Main sagte: „Die eigentlich immer als elitär geltende Sportart bekommt jetzt nahezu volkstümlichen Charakter“? Kannte er Joles, der mit Holz sieben auf die Piste geht und seine Kumpels mit der Frage nervt: „Was passiert eigentlich, wenn du in eine Menschenansammlung zielst, macht es dann vielleicht ‚Bonk‘?“ Wusste er von Damia, die den Golfsport außerhalb der Grüns liebt, weil er ihr das Rätsel aufgibt, wie man die „verdammte Blutkruste vom Putter runterkriegt“?

Vermutlich wäre Manfred von Richthofen auch darüber verwundert gewesen, dass die Musikanten von Bad Religion Zweifel an der Spezies Punk-Golfer hegen. Sänger Greg Graffin, der auf dem Gelände des sehr schönen Golfplatzes Kaluu Oahu auf Hawaii mal ein Konzert gab und immer nur an Tiger Woods denken musste und an Sherry trinkende Rentnerinnen und an dicke Männer in putzigen Knickerbockers, dieser Greg Graffin sagte also angesichts der Bunker-Akkuratesse: „Punk-Golf gibt’s gar nicht. Golf ist unglaublich nervtötend. Und ein schwuler Sport.“

In Berlin-Mitte werden viele Ideen geboren. Die Hipster rennen zum Beispiel um eine Tischtennisplatte. Früher nannte man das Chinesisch. Heute heißt es Country Ping Pong. Da war es zwangsläufig, dass der kreative Sturm auch Papas Putter vom Dachboden wirbelt. Was könnte man mit dem Ding alles anfangen? Golf spielen in 18 Löcher und danach im Klubhaus abhängen? Keinesfalls. Nun stolpert die Punk-Golf-Elite also nächtens aus diversen Trinkhallen auf die Straße und golft. Ein bisschen über den Alex. Mit fluoreszierenden Bällen die Weltzeituhr traktieren. Den Abschlag vom Funkturm üben, der als höchste Weihe der Punk-Golfer gilt.

Oder: Die Treppen hochgolfen. Aufs Hochhaus nebenan schießen und dann wieder treppabwärts. Sogar die Touri-Tour ist möglich mit einem Gully am Bahnhof Zoo als Ziel. Scheiben einschießen ist auch nicht übel. Industriebrachen bieten sich an. Der Ballvortrieb geht einfacher mit Rollen unter der Sohle. Deswegen wird gern auf Blades, Kick- oder Skateboards zurückgegriffen. Man liest den Schwing, das Magazin für Punk-Golfer. Darin steht, dass Stripe Visors zu tragen sind, außerdem der Old School Vintage Sweater und Skate Shorts. Man hört Primus und Offspring. Kauft Computerspiele, auf denen Deathmatch Golf oder Poison Golf läuft. Es geht natürlich um Authentizität, das heißt: Street-Cred.

Man hat viel Spaß. Das ist die einzige Regel. In New York ist Punk-Golf schon fast wieder ein alter Hut. Auf Manhattan war es lange Zeit eine Riesengaudi, die nach New Jersey ablegenden Fähren anzuspielen. Derjenige gewann, der das Schiff zuletzt noch mit einem Ball traf. In Berlin böte sich für die Punk-Golfer an, von denen sich manche im Umfeld des Kreuzberger Golf-Bunds (KGB) bewegen und sich als „Volxgolfer“ zu erkennen geben, in der Kuppel des Reichstages das Glas bersten zu lassen. Bevor gepunkgolft wird, kann die elementare Technik auf dem Gelände des ehemaligen Stadions der Weltjugend trainiert werden. An der Chausseestraße sind Abschläge bis zu 300 Meter möglich. 30 Bälle und ein Schläger kosten drei Mark. Schlagt zu!

MARKUS VÖLKER

Auf der Außenseiterskala von null bis zwölf: 11,2 Punkte

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