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Archiv-Artikel

kabinenpredigt Kiontke am Ball

Der Berliner Fußball brilliert derzeit als Kunstobjekt. Die Ausstellung „Rundlederwelten“ im Gropius-Bau liefert viel diskutierte Fotografien von nackigen Fußballern. Und der 1. FC Union zeigt seine Fans als „Eiserne Menschen“. Angezogen. „Natürlich unterstützen wir solch ein Kunstprojekt“, sagt Union-Präsident Dirk Zingler. „Die Idee, Fans authentisch ins Licht zu rücken, ist großartig. Sie haben sich solch eine Ausstellung redlich verdient.“ Beide Kunstprojekte klingen letztlich nach nacktem Grauen – und damit sind sie sehr nah am Geschehen auf dem Platz.

Dabei kann sich unsereins gar nicht groß beschweren über die Union-Fans: In Ludwigsfelde veranstalten sie einmal im Jahr Brandenburgs größtes Freizeitturnier. Vor einigen Jahren verdiente ich dort mit meiner Mannschaft das erste Mal überhaupt Geld im Fußball: 200 Mark für den dritten Platz. Zwar waren wir schon in den Jahren zuvor am Starttag Gruppenerster geworden. Danach hatten wir uns stets so besoffen, dass wir am zweiten kein Bein mehr auf die Erde kriegten. Nun kam ein Teil der Mannschaft erst zur zweiten Runde, und das wurde auch prompt belohnt.

Das nackte Grauen folgte auf dem Fuße. Wenig später stand ich völlig allein unter der Dusche, als ein Typ samt Kampfhund nebenan in die Toilette verschwand. Das Hündchen band er an die Klinke. Das „Plopp“, als sich der Knoten löste und die Leine herunterfiel, hab ich heute noch im Ohr: Vor mir stand fünf Minuten lang das eiserne Tier. Ich bin mir selten so als nacktes Objekt vorgekommen wie damals unter der Dusche des Fanclubs vom 1. FC Union. JÜRGEN KIONTKE