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Archiv-Artikel

kabinenpredigt Herthas neue Zeitrechnung

Geduld und Zeit hat sich Lucien Favre bei Hertha von Anfang an auserbeten. Und gerade nach Niederlagen erinnert der Hertha-Trainer gern daran, dass er für seine Arbeit eben Geduld und Zeit benötigt. So war es auch am Freitagabend, als die Berliner in Karlsruhe 1:2 verloren.

Schweizer Uhren genießen im Allgemein einen guten Ruf. Doch die innere Uhr des Schweizers Favre dürfte nach dem Geschmack der Herthafans viel zu langsam ticken. Denn beim siebten Auftritt in der Fremde ging Hertha bereits zum sechsten Mal leer aus. Favre spürt die unweigerlich aufkeimende Unruhe. Am Wochenende sagte er: „Ich weiß, dass der Berliner Fußballfan am liebsten Meister ist. Aber mal ehrlich, wann war Hertha das letzte Mal oben?“

So viel Ehrlichkeit ist fast ein bisschen zu viel verlangt. Der Herthaner misst die Bedeutung seines Clubs nicht an Erfolgen. Er zählt die Einwohner seiner Stadt, die Bolzplätze, die verkauften Fußballschuhe, die Botschaftsgebäude, die Besuche der Staatsoberhäupter – und kommt zu dem Schluss: Hertha muss endlich Meister werden.

Wann sie es zum letzten Mal waren? Ein Jahr nach der Erfindung des automatischen Toasters, nämlich 1931. Mit dem Verweis auf die Hertha-Historie hat Favre gewiss keine Zeit gewonnen. Aber das macht nichts. Im Grunde genommen hilft ihm Zeit allein auch wenig. Was Favre eigentlich braucht, sind neue Spieler. Das hat er schon bei seinem Amtsantritt ganz offen angesprochen. Intern wurde er dafür offensichtlich gerüffelt. Seitdem hält er sich vornehm zurück.

Nach dem Spiel gegen Karlsruhe, diagnostizierte Favre, seine Spieler hätten in der zweiten Halbzeit „zu viel gewollt.“ Manager Dieter Hoeneß bemerkte: „Wir haben nach der Pause zu wenig nach vorne getan.“

Diese Bewertungen passen gut zusammen. Der Abstand zwischen Wollen und Tun ist bei Hertha traditionell groß. Malik Fathi fiel am Freitag noch mit einer bemerkenswerten Idee auf, wie Hertha sich auch kurzfristig verbessern kann: „Wir müssen in den nächsten Begegnungen versuchen, über die Zweikämpfe ins Spiel zu kommen.“ JOHANNES KOPP