juttas neue welt: Die moderne Hausfrau
„Projekt Kühlschrank“ – ein Zettel auf dem Küchentisch erinnerte mich dezent an ein Missgeschick. Zwei Flaschen Bier hatte ich im Eisfach deponiert und dort vergessen – kurz darauf waren die beiden vor Ungeduld geplatzt. Der Biereisberg ging also eindeutig auf meine Polkappe. Zu allem Unglück hatte ich der Mitbewohnerin versprochen, mich auch der übrigen Kühlschrankfächer anzunehmen – aber gibt es etwas Unattraktiveres als abtauen, abkratzen und abwischen an einem Sommerabend? Also landeten beide Projekte in der Warteschleife – bis es höchste Zeit wurde.
Nun war ich genötigt, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen und tackerte „Haushaltstipps“ in die Suchmaschine. Tatsächlich erwies sich der Cyber- als Sauberspace, und die Ratgeberseiten purzelten mir haufenweise entgegen. Unter www.hausfrauenseite.de lernte ich, dass es „aufregend ist, eine Hausfrau zu sein“ – was ich angesichts unserer WG-Katastrophen nur bestätigen kann. Aber Hausmittel gegen Putz-, Wasch- und Kühlschrankunfälle, produziert von Hauswirtschaftsidioten, werden hier nicht geboten, nur Tipps und Tricks für Profis: Wie geht man am besten mit Tupper-Brotdosen um und gegen fusselige Frotteehandtücher vor, wie häkelt man noch schöner, und wie putzt man mit Löschpapier. Unter www.hausfrau.de gibt es auch das volle Programm zum Abwischen – „für alle, die sich dem Haushalt verschrieben haben“. Selten habe ich mich beim Surfen so fehl am Platz gefühlt. Auch hier gab es keine Hilfestellung für mein Kühlschrankprojekt – etwa, dass der Biereisberg ohne zu kleben verschwindet, indem man Essig draufträufelt und über Nacht einwirken lässt. Dafür erfuhr ich von der Strumpfhose „Millennium“, die sicheren Schutz vor Mückenstichen bieten soll. Und lernte im Hausfrauen-Forum, dass alter Käse wieder frisch wird, indem man ihn wenige Tage in dicke, saure Milch legt. Eher ein Zauber- als ein Haushaltstrick, vor allem bei dem Gedanken an das Stück Camembert, das ich in unserem Kühlschrank erspäht hatte.
Weitergeholfen hat mir das alles nicht. Schien mir nichts anderes übrig zu bleiben, als auf orthodoxe Weise zum Lappen zu greifen. Resigniert tippte ich zum bitteren Ende noch „Kühlschrank“ in die Suchmaschine – und, na bitte, das Netz servierte mir des Rätsels Lösung. Unter www.electrolux.co.uk wird der „Screenfridge“ präsentiert, ein Internetkühlschrank, der alles kann. Zum Beispiel „Food-Management“: Per Scanner werden fast leere Milchtüten und Jogurtbecher ertappt (und sicher auch Bierflaschen, kurz vor der Explosion), und via Internet kann man seinen digitalen Einkaufszettel an den nächsten Onlinesupermarkt schicken. Auf der Website werden die ganzen Eigenarten des Wunderschranks vorgeführt – untermalt mit fluffiger Weischspülermusik. So kann man über den Bildschirm an der Eisschranktür sein schlafendes Baby im Auge behalten. Oder die Mitbewohner mit kleinen Filmen überraschen: „Hey, mach endlich den Screenfridge sauber!“ Nur schade, dass ich unseren verratzten Kühlschrank nicht einfach gegen ein High-Tech-Gefriergerät austauschen kann – auf dem Markt ist der Fernsehkühler nämlich noch nicht. JUTTA HEESS
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