juttas neue welt: „Das Kennwort war falsch. Wiederholen Sie die Eingabe“
Der Office-Assistent ist schuld daran, dass ich in diesem Jahr keine Herbstlyrik verfasst habe. „Anscheinend möchten Sie einen Brief schreiben. Brauchen Sie Hilfe?“ Nein, werte Büroklammer, ich brauche deine Hilfe nicht, und ich möchte auch keinen Brief, sondern ein trauriges Gedicht schreiben, erwidere ich gekränkt. Aber bei einem Textbeginn wie „Lieber als den Blätterbrei, mag ich einen Tag im Mai“ denkt der hilfsbereite Assistent eben eher an einen Brief – statt an einen Dichterkopf – und funkt dazwischen. Zu Recht vermutlich, trotz einwandfreier Metrik und reinen Reims – doch da er mir damit alle poetischen Illusionen weggefetzt hat, mache ich mich zur Strafe an Karl Klammers Ausblendung. Was er eingeschnappt bejammert: „Sie haben mich mehrere Male ausgeblendet.“ Und dann gibt er alles und will vor vollendete Tatsachen gestellt werden: „Möchten Sie mich endgültig ausschalten oder lediglich erneut ausblenden?“
Schluchz! Nach diesem Büroklammeraffentanz würde es mich nicht wundern, wenn mir demnächst eine animierte beleidigte Leberwurst auf die Pelle rückt. Wobei die Kommunikation mit den Dialogboxen noch weiter ins Jenseits vom Reden führt. Ständig werden Fangfragen souffliert, die selbst fest Entschlossene ins Wanken bringen: „Sind Sie sicher, dass Sie die markierten Elemente endgültig löschen wollen?“ Dabei werde ich selten schwach; bei „Soll ,taz2000‘ wirklich in den Papierkorb verschoben werden?“, dagegen schon, und es folgt ein beherzter Nein-Klick. Und beim finalen „Wollen Sie ihre Sitzung wirklich beenden?“ muss sich doch jedes wohltemperierte Wesen fragen, ob man es hier mit einem PC, einem Psychotherapeuten oder nicht doch mit einem Pfarrer zu tun hat: Ja, ich will! Und zwar wirklich!
Zudem gibt es die schwächeren Computertage, da ist die Dialogik völlig außer Rand und Band – und der Rechner mutiert endgültig zum Orakel, das mit Wonne Informationsverarbeitungen auf „oberster Ebene“ fehlschlagen lässt. Eine Sammlung von durchgeknallten Dialogboxen, eingesandt von verzweifelten Benutzern, gibt es unter www.reuther.cc/dialoge. Auch ich hatte vor kurzem das Vergnügen mit einer debilen Box. Sie sprach: „Das angegebene Kennwort ist falsch. Wiederholen Sie die Eingabe.“ Jawohl, Eure Imperativität, aber davon wird das Kennwort auch nicht richtiger. Erst der Netzwerkminister administrierte das wieder in Ordnung.
Das große Sprachlos aber zog ich, als ich die Bekanntschaft einer Dialogbox machte, die das mit dem Doppelklick wörtlich nahm: „Der Vorgang kann nicht beendet werden. Der Vorgang kann nicht beendet werden“, delirierte sie. Ein Melodrama in zwei Sprechakten, das selbst meine prästabilierte Harmonie zur Rage against the Machine werden lässt: Shut up! Oder noch besser: Runterfahren. Aber gut, dass wir drüber gesprochen haben.
Übrigens wird der Dialogboxkampf bei den nächsten Olympischen Computerspielen als neue Disziplin hinzukommen. Zum Training des Palaverpowerplay empfehle ich, unter www.winfehler.de das Scherzprogramm runterzuladen, mit man eigene Dialogboxen auf fremde Bildschirme zaubern kann. Goldmedaillen wert war mein kleiner Eingriff am PC des Kollegen: „Ein unerwarteter Programmpunkt ist aufgetreten: Wenn Sie nicht sofort zwei Schokocroissants besorgen, wirft ihre Festplatte Blasen.“ Sprechakttheoretiker würden anerkennend sagen: „That's how to do things with words.“ JUTTA HEESS
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