jenni zylka über Sex & Lügen: „Hallo, ich bin Krankenschwester“
Kelly Trump ist zwar peinlich, aber trotzdem toll: Sie ist so unsäglich unerotisch, man muss sie einfach mögen
Leider ist meine Peinliche-Lieblings-Latenight-Erotiksendung „Electric Blue“ seit Ende letzten Jahres doof und langweilig geworden: Statt des famosen Vorspanns, in dem zu funky Spätseventiesmusik und einem unglaublichen Discoschriftzug hohe Frauenstimmen „Love, and Sex, and Girls – Electric Blue“ trillerten, hat sich das Layout der Show stark den Mitte-80ern mit seinen Samantha Foxes in Hosenträgern und nichts drunter angenähert. Die scheinen zwar gerade schwer in Revivallaune zu sein, die 80er, mir gefallen sie jedoch weniger.
Ich habe dagegen überhaupt kein Problem zuzugeben, dass ich diese billige, englische Softpornosendung vorher wirklich mochte. Immer wieder wie von David Hamiltons Ausstatter eingerichtete Schlafzimmer, in denen zu dünne Engländerinnen in weißen Häkelkleidern herumstromerten. Sprechrollen hatten diese Frauen nie, dafür Streichelrollen. Vermutlich, um dem Ganzen zumindest den Anschein eines fernsehrelevanten Beitrags zu geben, hatte man das aus Reportagen über Kinderheime in Sibirien oder Selbsthilfe-Aborigines-Projekte bekannte Phänomen des „Off-Kommentars“ dahintergelegt: Eine Erzählerstimme, die erklärt, was auf dem Bildschirm passiert. Wegen der Authentizität sprach bei „Electric Blue“ jedoch immer die Frau, die gerade zu Sounds aus einem Yamaha DX 7 nach ihrem G-Punkt suchte: „Hallo, ich heiße Hedda. Ich bin von Beruf Krankenschwester. Aber ich tanze auch total gerne.“ Das absurde an diesen Beiträgen war die Ton-Bild-Schere, so nennt man es, wenn die Dame im Bild gerade das Häkelkleid hochschiebt, um alles andere zu machen, als zu tanzen, aber genau das anspricht. So etwas hat Charme.
Glücklicherweise ist quasi mit dem Untergang jener „Electric Blue“-Staffel ein anderes Peinliches-Lieblings-Latenight-Phänomen aufgetaucht, das sich schnell in meine Top Five hochmogeln könnte: eine Erotik-Dauerwerbesendung mit Kelly Trump. Kelly Trump ist nicht mit Donald Trump verwandt, jedenfalls weiß ich nichts darüber, sondern ist eine der im letzten Jahr durch Talkshows und Boulevardmagazine durchgereichten Blondinen, die von ihrer verruchten Pornovergangenheit weg- und zum seriösen ModeratorInnen- und SchauspielerInnen-Business hinwollen. Um es mit einem Oxymoron zu illustrieren: Eine fragwürdige Angelegenheit, keine Frage. Aber während man bei Dolly Buster, die immer noch einen Zacken dämlicher aus der Reizwäsche guckt als ihre schlechteste Comedyparodie, doch wohl gar nichts empfinden kann, und während die Geschäftstüchtigkeit des westfälischen Mädel-von-nebenan-Mädels Gina Wilde schon mehr als gruselig ist, muss man Kelly Trump einfach mögen. Denn die ist so unsäglich rührend-unerotisch, das gibt es überhaupt nicht. Kelly fährt, oder besser räkelt ihre „Show“ in einem Satinbikini von einem Satinbett hinunter, und kakelt dabei die ganze Zeit in die Kamera, die sich um sie herum dreht. Um dem einsamen Nachtfernseher das Gefühl der Exklusivität zu geben, duzt sie ihn permanent: „Und jetzt hab ich noch etwas ganz Besonderes für DICH: meine Super-Erotik-Wunderpäckchen mit ganz vielen tollen Sexhilfe-Accessoires drinne.“ Wobei die Vokabel „Accessoires“ vermutlich schon wieder ausgedacht ist, Kelly würde eher sagen „ganz viel tolle Sexhilfe-Sachen“. So richtig hat sie’s nicht mit dem Moderieren. Macht aber nichts. Dafür hat sie eine wirklich nette, jugendliche Aushilfskindergärtnerinnen-Märchenerzählerinnen-Stimme. Eine Stimme, die eher „Hast du dir wehgetan? Komm, wir pusten das mal schnell weg“ trösten sollte, anstatt „Dann zeige ich DIR jetzt noch unseren nächsten, totaaal erotischen Videoclip.“ Das ist nämlich das eigentliche Prinzip der Dauerwerbesendung mit Kelly Trump: zwischen 0190-Nummern und unterbrochen von ihren unbeholfenen Versuchen, Sextoys zu verkaufen, präsentiert sie erotische Videoclips.
Das Konzept überzeugt natürlich nicht. Trotzdem habe ich dort neulich den besten (und fehlplatziertesten) Spruch aller Zeiten gehört, den ich leider nie anwenden kann. Zwar plaudere ich ungern aus dem Nähkästchen, aber so viel sei erklärt: In dem von Kelly präsentierten Videoclip klingelt eine vollbusige Brünette mit „Ich kann nicht bis drei zählen“-Schlafzimmerblick bei einer vollbusigen Blondine mit „Ich auch nicht“-Schlafzimmerblick. Dem hanebüchenen, schlecht zusammensynchronisierten Folgedialog kann man entnehmen, dass die Blondine ein „Studio“ zu vermieten hat und die Brünette interessiert ist. Die beiden gucken sich also den Raum an, und die Blondine sagt: „Ich verbinde mit diesem Zimmer wirklich etwas. Ich bin hier entjungfert worden.“ Darauf antwortet die Brünette mit dem besten (und fehlplatziertesten) Spruch aller Zeiten: „Ich habe ja gleich gewusst, dass wir etwas gemeinsam haben: ein Bohemien hat mir in einer ganz ähnlichen Umgebung die Unschuld geraubt!“
Ich musste so kichern, dass ich kaum wegzappen konnte, als die beiden dann mit dem langweiligen Silikonreiben anfingen. Schade, schade, dass mir kein Bohemien in einer ganz ähnlichen Umgebung die Unschuld geraubt hat. Ich würde es wie ein Mantra vor mich hinsingen, ja das würde ich.
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