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Archiv-Artikel

jagdsaison mit braunen diplomaten von WIGLAF DROSTE

Beim Spiegel wissen sie, wie man Leute unter die Erde kriegt. Ende März bekam der Papst eine Titelheldengeschichte verpasst, in der er „Der Unsterbliche“ heißen musste. Exakt sechs Tage nach diesem Auftritt als Coverboy war er tot. So macht man das.

Einer, den Stefan Aust schon länger dringend und zwanghaft erledigen will, ist der deutsche Außenminister. Joseph Fischer steht ganz oben auf dem Zettel, und um ihn abzusägen, sind den Topjournalisten des Landes auch Gruselgeschichten gut genug. Einer systematisch verkleinkinderten Öffentlichkeit erklärte der Spiegel, wie bedroht sie sei: Ausländer, kriminell und schwer bewaffnet bis an die maroden Zähne, hätten sich gegen die Deutschen verschworen, und Joseph Fischer sei schuld daran. Um sich seinen Traum von einer multikulturellen Gesellschaft zu erfüllen, habe Fischer die Deutschen an hunderttausende von landesfremden Halsabschneidern und Galgenvögeln verraten.

Dem staunenden Betrachter bot sich ein apokalyptisches Bild: Grundgute Deutsche, die en gros in Zwangsprostituierte hineingezwängt werden von einer Schwemme ausländischer Krimineller, treten wieder einmal in ihrer Lieblingsrolle auf. Belogen und betrogen, entrechtet und beleidigt, so sieht sich der Deutsche gern und drückt darüber manche Träne ab. Mit ihm, dem Deutschen, kann man es ja machen, und wenn er sich dann einmal wehrt mit Zyklon B, dann ist es auch nicht richtig, und dann heult er wieder ein bisschen: Aus den Teilen Europas, die einst deutscher Lebensraum im Osten hießen, drängen Schlepper, Schleuser und andere morastige Gesellen ins deutsche Kernland ein, und der Außenminister hat sich nicht mit dem Baseballschläger an die Grenze gestellt.

Das ist selbstverständlich ein schlimmer Skandal, in dessen Verlauf nur eine Frage noch nicht öffentlich gestellt wurde: Ist Joseph Fischer eigentlich Deutscher? Oder gibt es in seinem Stammbaum dunkle, ausländische Flecken? So richtig arisch kann er nicht sein, sonst behandelte er auch altgediente deutsche Diplomaten nicht so schlecht, die schon als NSDAP-Mitglieder Deutschland treu gedient und deshalb ein Recht auf Ehrerbietung erworben haben.

Fischer hat verfügt, dass ehemaligen Nationalsozialisten in der Hauszeitung des Auswärtigen Amtes mit dem Bremsspur-Namen internAA keine Nachrufe mehr hinterhergeschrieben werden; die Selbstverständlichkeit, brauner Diplomaten nicht „ehrend zu gedenken“, wie das schwülstig heißt, wird zum Delikt gewendet. 76 Mitarbeiter unterschrieben deshalb einen Protestbrief gegen Fischer, einer fing gleich in der Bild-Zeitung das Nölen an. Der Vorwurf lautet: Der deutsche Außenminister hat kein Herz für Nazis und muss also gehen. Das ist in Deutschland so Tradition und eine tragende Säule der Bundesrepublik.

Brauner wurde selten um Kündigung gebettelt, aber im allgemeinen deutschen Rechtsgerucke wird die Meuterei zugunsten alter Nationalsozialisten nicht als das behandelt, was sie ist: ein kollektives Rücktrittsgesuch. Im Gegenteil: Flankierende Journalisten beschweren sich trübsinnig über Fischers „Arroganz“. Wenn sie nichts zu flennen und nichts zu treten hätten, sie wären gar nicht da.