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interviewsIm Rahmen des Rauchersalons

Mit „Zur Person“ gelang Günter Gaus eine Interviewreihe, die harten Männern einiges entlockte

Günter Gaus 1977 / Foto: Rolf Hayoimago

Männer in Anzügen, in Uniform, mit Kollar und nur Gustaf Gründgens leger im Pullover; und dann natürlich eine – ja, 1 – Frau im wohl berühmtesten Gespräch der Reihe, Hannah Arendt. Die Männer sehen aus heutiger Sicht gezeichnet aus für ihre Alter; und es ist nicht schwer, dieses Erscheinungsbild auf das exzessive Rauchen zurückzuführen, wird aber der Sache nicht gerecht. Alter ist keine natürliche, sondern eine gesellschaftliche Kategorie, sagte mir jedenfalls mal eine Ärztin, die insbesondere Frauen aus Afghanistan betreut. Im Erscheinungsbild der von Günter Gaus zwischen 1963 und 1966 für das ZDF in der Reihe „Zur Person“ Interviewten spiegeln sich mindestens so sehr die furchtbaren Zeitläufe wider, denen sie ausgesetzt waren, wie der persönliche Lebensstil.

„Ich glaube, dass keiner zuständig ist, über sich selbst sehr viel zu sagen“, sagt der in der ZDF-Ankündigung als „Vater der Wasserstoffbombe“ ausgezeichnete Physiker Edward Teller zu Beginn des Interviews mit ihm, die Intention der Sendereihe gleich konterkarierend. Das ist bemerkenswert und erfüllt doch das Klischee des harten, schweigsamen, persönlichen Konfessionen völlig abholden Mannes. Das stimmt und stimmt nicht. Es sind harte Brocken, denen sich der Mittdreißiger Gaus nähert; er selbst versucht im Habitus älter zu sein. Die Zeit der Autoritätenerschütterung, in der alle versuchen werden, jünger zu wirken, steht mit 68 erst noch bevor – und hält bis heute an. Die Gaus’schen Gespräche stehen an der Schwelle. Es gelingt ihm, die Panzerungen seiner Gäste punktweise zu durchdringen – nicht zuletzt durch die impertinente Kameraführung –, man bleibt aber im Rahmen des Rauchersalons, wo Herren sich gepflegt austauschen. Und da denken wir, wenn wir den Vater hören, nicht zuletzt an seine Tochter, unsere verstorbene, brillante Kollegin Bettina Gaus. Ambros Waibel

„Zur Person“,32 Interviews 1963–1966, in der ZDF-Mediathek

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