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Archiv-Artikel

in fußballland Ein Nümmerchen zur Entspannung

CHRISTOPH BIERMANN erklärt, warum Christoph Daum, der Vision und Irrwitz gekonnt kombiniert, unverzichtbar ist

Die zweitbeste Pressekonferenz von Christoph Daum sah ich am Frankfurter Flughafen kurz vor der Abreise in einen Urlaub, den ich nach seinem Auftritt erst recht nötig hatte. In einem Kölner Hotel hatte der zuvor untergetauchte Fußballtrainer seine Rückkehr in eine Art Comedy-Show verwandelt, zu der sich Stefan Raab und Helmut Zerlett ganz zu Recht eingeladen hatten. Daum erklärte seine Kokainaffäre grinsend zu einer Art Lausbubenstreich, was der Umstand des Drogenkonsums auch sein mochte, nicht aber, dass dadurch eine ganze Menge Leute beinahe ihren Job verloren hätten, obwohl das bei Gerhard Mayer-Vorfelder vielleicht auch nicht so schlimm gewesen wäre.

Noch besser war drei Monate zuvor die Haarproben-Show gewesen, bei der der damals noch designierte Bundestrainer ankündigte, seine Haare auf Rauschgift untersuchen zu lassen, um dadurch seine Unschuld in Sachen Drogen zu beweisen. Daum schritt damals im Presseraum des Leverkusener Stadions mit starrem Gesicht zum Podium, sein Auftritt dauerte vier Minuten und bestand eigentlich nur im Verlesen seiner Erklärung. Dann trat Daum wieder ab. Die Probe war so positiv, dass Daums damalige Lebensgefährtin und heutige Frau sagte, Daum hätte „das Zeug täglich nehmen müssen“. Sie beklagte Manipulationen, und Daum trat eine Art Flucht nach Florida an.

Insofern konnte man seinen Auftritt am letzten Samstag in einem Kölner Krankenhaus als historisches Zitat sehen, oder er entsprang einfach nur seinem Bedürfnis, das Genre der Pressekonferenz von Trainern ein weiteres Mal zu neuen Grenzen zu führen. Daum ließ einen Arzt über seine Mandelabszesse reden und sprach selber über seine Liebe zum 1. FC Köln. Im Hintergrund schoben Menschen ihren Tropf vorbei oder gingen in Ballonseide zum Rauchen vor die Tür.

Wenn einmal die Geschichte des deutschen Fußballs in den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts geschrieben wird, wird darin das bizarre Genie Daums gepriesen werden müssen, der unterhaltsamste Trainer seiner Zeit gewesen zu sein. Er ließ seine Spieler nämlich nicht nur über Scherben laufen, sondern propagierte auch Stressabbau durch Bildbetrachtung. (Natürlich malte Daum selber, gestaltete aber nicht die knallbunten Hemden, deren Produktion ihn angeblich mächtig in die roten Zahlen steuern ließ.) Er installierte bei Bayer einen PTT (Personal Team Trainer), den man heutzutage wohl Psychologen nennen würde und verkündete schon vor Jahren das inzwischen angebrochene Zeitalter des individualisierten Trainings. Er verglich sich mit John Wayne, konnte die militärische Strategie von Kemal Atatürk erläutern und erzählen, wie es ist, wenn man einen Adler auf dem Arm trägt.

Daum hat das faszinierende Talent, Vision und Irrwitz so zu vermischen, dass man kaum noch erkennt, was gerade was ist. Wenn er öffentlich kritisiert wurde, fragte er zurück: „Was haben sie mit Galilei gemacht?“ Denn Daum lebt in einer Welt, von der er glaubt, dass er sie mit Menschen teilen muss, von denen die Welt für eine Scheibe gehalten wird. Kein Wunder, dass er zu Drogen gegriffen hat.

Drei Tage nach der phänomenal versauten Meisterschaft von Bayer durch eine Niederlage in Unterhaching führte ich auf der Autofahrt zu einer Fernsehsendung ein Interview mit ihm. Er war erstaunlich aufgeräumt, und nach der Sendung gingen wir mit den Verantwortlichen des Senders zusammen ins Restaurant. Dort kam das Gespräch auf Stress bei Fußballtrainern, von denen viele in der Nacht nach Spielen nicht schlafen können, weil sie so aufgewühlt sind. Daum nickte freundlich seine Partnerin an, die mit am Tisch saß, und sagte: „Wir schieben ein Nümmerchen, und dann entspann ich mich wunderbar.“ Die Damen und Herren vom Fernsehen hüstelten verlegen in die Serviette, und ich bekam rote Ohren. Auch wenn er dem 1. FC Köln abgesagt hat, wird es Zeit, dass Christoph Daum wieder die deutsche Bühne betritt. Und für die Ankündigung dazu wird ihm bestimmt was Tolles einfallen.