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in fußballlandCHRISTOPH BIERMANN über den Zorn der Fans

Wie bei Greenpeace und Shell

In „No Logo!“, dem Buch von Naomi Klein, das gemeinhin als Bibel der Globalisierungsgegner gilt, ist von Fußball nicht die Rede. Könnte aber, wenn es um die pakistanischen Sweatshops geht, wo von Kindern jene Bälle zusammengenäht werden, mit denen in Europa gekickt wird. Könnte auch, wenn man eine Parallele zwischen der Marketingmaschine Michael Jordan und einem Gegenstück im Fußballland wie Edgar Davids zieht, dessen Konterfei bei der Euro 2000, von Nike bezahlt, das größte Haus der Niederlande besetzte.

Naomi Klein beschreibt die Gier der Marken, in alle Bereiche des Lebens vorzudringen, um sich dort mit Bedeutung aufzuladen. Im Fußball ist das offensichtlich nicht nur bei den Sportartikelherstellern so, die ihre Ausrüsterverträge mit Klubs kündigen und inzwischen lieber in coole Stars investieren. Schon lange hat die Werbung einst heilige Trikots erobert und agiert dort immer gezielter. Opel mag zwar in Bochum seine Fabriken haben, seit es auch für Autobauer um eine Markenidentität geht, ist Opel aber vom Trikot des heimischen VfL verschwunden und dorthin abgewandert, wo mehr Glanz abfällt. Dafür drückte in Bochum ein anderer Sponsor durch, dass seine Regenbogenfarben zu denen der Vereinstrikots wurden. In Fürth spielt der Zweitligist nicht mehr im traditionsreichen Ronhof, es heißt nun Playmobil-Stadion. Lange brauchen wir wohl nicht zu warten, bis am Wochenende in der Mastercard- oder Pepsi-Bundesliga gespielt wird.

Andererseits wollen die Klubs auch selbst Marken sein und haben sich vorsichtshalber das Vereinslogo von Grafikern überarbeiten lassen. Der FC Bayern hat seines unauffällig modernisiert, in dem von Bayer Leverkusen sind zwei Löwen angefügt worden, die der schlichten Heraldik des Bayer-Kreuzes einen Hauch von historischem Gewicht geben. In Freiburg bleibt das Logo, aber Trainer Volker Finke redet von der „Corporate Identity“ des Vereins, als wäre der SC Freiburg die kickende Antwort auf Andrea Roddicks Body Shop.

Wo viele weltweit agierende Konzerne heute größer, reicher und mächtiger sind als viele Nationalstaaten, beginnen auch die Fußballklubs ihre Verbände wie lästige Anhängsel zu behandeln. Deshalb werden überall Ligaorganisationen gegründet, die sich von den alten Fußballverbänden abnabeln oder Revolvergruppierungen wie die G14 der mächtigsten Vereine Europas, in denen die Welt nach der Vorgabe der Großen geordnet wird.

All diese Entwicklungen sind zwar von vielerlei kulturkritischen Anmerkungen begleitet worden, hatten bislang aber kaum Protest der Basis von Fans ausgelöst. Doch diese Zeiten sind offensichtlich vorbei. Seit einigen Wochen gibt es eine Protestbewegung, die erstaunliche Parallelen mit den Aktionen von Globalisierungsgegnern hat. Ausgegangen war sie von Fans, denen die erst spät bekannt gegebenen Spielpläne plötzlich kaum zu organisierende Reisen ans andere Ende der Republik bescherten. Unter dem Slogan „pro 15:30“ wurde daher eine Rückkehr zur klassischen Anstoßzeit am Samstag gefordert.

Mit einem Mal stand das gesamte System des neuen Fußball-Kapitalismus auf dem Prüfstand. Wer welches Geld dafür kassierte, wann warum gespielt wurde. Und dass sich der Fußball nicht mehr selbst lenkte. Der Ärger richtete sich dabei vor allem gegen Premiere, den Fernsehsender der Kirch-Gruppe, der die Bundesliga-Spiele möglichst verstreut zeigen will, um seinen Kunden einen Anreiz zum Kauf von Abonnements zu geben. Die Resonanz auf die selbst gemalten Plakate war überwältigend. Viele Zeitungen berichteten ausführlich darüber, und inzwischen zeigt sich, dass der Protest mehr ist als ein Strohfeuer versprengter Fußballverrückter. „Herr Kirch muss aufpassen, dass er mit uns nicht erlebt, was Shell mit Greenpeace mitgemacht hat“, sagte kürzlich einer der Aktivisten. Für Ende des Monats ist ein neuer Protesttag angekündigt, und schon reden die Ersten von Boykottaufrufen für Produkte im Werbeumfeld von Fußballsendungen in Kirchs Sendern.

Warum das jetzt passiert ist, weiß niemand genau. Wurde von einem Manager der Liga einmal zu oft gesagt, dass die Zuschauer im Stadion nur 15 Prozent der Einnahmen bringen? Auf jeden Fall testen einige von ihnen nun aus, wie viel Macht sie gegenüber den neuen Mächtigen im Fußball trotzdem haben. Und das, so zeigen die Feldzüge gegen Shell oder Nike, kann eine ganze Menge sein.

Fotohinweis:Christoph Biermann, 40, liebt Fußball und schreibt darüber

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