im schrebergarten, teil 2 : Affenliebe zu fünf Goldfischen
Wie soll man’s mit den Fischen halten? Jenen Wesen, die durchs Wasser gleiten und sich an keine Verkehrsregeln halten – keine verständlichen Verkehrsregeln zumindest? Jene Wesen, in deren Tierkreiszeichen die Sonne derzeit steht?
Die gute Nachricht des Tages: Die Goldfische im Schrebergarten meiner Freundin leben. Alle fünf, die in der eingebuddelten 500-Liter-Regentonne überwintern mussten, haben es geschafft (taz berichtete). Ich hab die Goldfische, die gar nicht golden, sondern rot sind, mit eigenen Augen gesehen. Auch den mit dem blauen Schwanz. Noch etwas benommen schwimmen sie durchs trübe Wasser. Es hat sich gelohnt, dass ich mich zum Gespött der Leute gemacht habe, jeden Sonntag mit einem Tauchsieder ein Loch ins Eis auf der Regentonne schmolz und dann das Sprudelgerät reinhing. Damit die Fische auch ihren Sauerstoff kriegen. Der Vater meiner Freundin hatte drauf bestanden. Er muss es wissen, er hat ein Aquarium in seiner Wohnung.
Doch schon droht neues Ungemach. Denn um das Sauerstoffproblem im Regentonnentümpel in den Griff zu kriegen, wurde ein sonnenkollektorbetriebenes Sprudelgerät angeschafft. Wenn die Sonne den Strom liefert, brauchen wir keine Kabel durch den Garten ziehen und mit unberechenbarer Elektrizität hantieren – so die theoretische Überlegung. Meine Freundin und ich haben versucht, die Anschaffung auch praktisch zu installieren. Aber die Sonne schien nicht. Ob sie heute wohl scheint und es sprudelt?
Alles läuft darauf hinaus, dass das Fischewesen eben fragil ist. Mal schwimmt man im klaren, mal im trüben Wasser. So geht es den Leuten, die derzeit ihren Geburtstag feiern und deren Sternzeichen die Fische sind. In die Regentonne muss ich wegen dieser Welterkenntnis nicht schauen.
Einmal vor Jahren jobbte ich in einem Esoterikverlag. Irgendwann schlug ich eines der Bücher auf. Beim Skorpion zufällig. Dort stand, dass der Skorpion das zweitunbegreifbarste, zweitchamäleonhafteste, zweitkomplizierteste Sternzeichen nach dem Fisch sei. Ich schwöre, so stand es da. Komischerweise hat es mich gefreut. Ich bin Fisch. Mein Aszendent: Skorpion.
Dieses Jahr habe ich ein Buch zu meinem Fische-Geburtstag vor ein paar Tagen geschenkt bekommen. „Die Fische-Persönlichkeit“ heißt es. Und um klarzumachen, wer da im Schrebergarten an der eingebuddelten Regentonne steht, den Fischen zuschaut und darüber diesen Text schreibt, hier ein Auszug aus dem Werk. Und zwar jener, der die „persönlichen Schwächen in Stichworten“ der Fische offenbart. Wir sind, steht da, „ängstlich“. Nun ja. Auch „in Auflösung der Persönlichkeit befindlich“ seien die Fische. Das hätte in der Tat passieren können, wenn die Regentonne bis unten durchgefroren wäre.
Und weiter sind wir: „beeinflussbar, chaotisch, durchsetzungschwach, gefügig, haltlos, sich und anderen Illusionen machend, konturlos, korrupt, kraftlos, kritiklos, leicht verführbar, einen Mangel an Abgrenzung und Ichbewusstsein, an Vitalität und Spannkraft aufweisend, naiv, panisch, passiv, rückgratlos, schlaff, schlampig, schwächlich, seelisch wie betäubt, strukturlos, süchtig, tatenlos, teilnahmslos, unbekümmert, unehrlich, unorganisiert, unschlüssig, wehrlos, willenlos.“
Das muss man einfach wissen, wenn man diesen Text von mir liest. Diesen Text über die fünf Goldfische im Schrebergarten, die über den Winter gekommen sind und die nun, ohne sich erkennbar an Verkehrsregeln zu halten, einfach so vor sich hin schwimmen.
Noch Fragen? WALTRAUD SCHWAB