piwik no script img

im fokusDidier Raoult, provokanter Virenjäger aus Marseille

Mit seinem Look überrascht er oft noch Fachkreise und Medien. Aufgrund seiner schulterlangen weißen Haaren und seines Vollbarts wurde der 68-jährige Didier Raoult schon mit einem Hippie verglichen, den man eher auf einem Woodstock-Festival vermuten würde als im Hörsaal vor einem gebannten Publikum von Forscherkollegen und Medizin- und Mikrobiologiestudenten. Vielleicht trägt der Professor deshalb auch bei Vorlesungen seinen Arztkittel. Dann mahnt er seine Studierenden, sich nie mit vermeintlichen Gewissheiten zufrieden zu geben, sondern auch Spuren zu verfolgen, mit denen man sich am Ende vielleicht blamieren könnte.

Raoult hat selber jedoch eine brillante Karriere hinter sich und wurde für seine Forschungsarbeiten im Bereich der Infektiologie mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet. In Fachkreisen ist Raoult vor allem ein anerkannter Virenexperte. Er schreibt zudem regelmäßig eine Kolumne im Magazin Le Point und publiziert Bücher für ein Laienpublikum in einem kritischen Stil und einem Hang zu Außenseiterpositionen.

Raoult wurde 1952 in Dakar, der Hauptstadt Senegals, als Sohn eines französischen Militärarztes und einer Krankenschwester geboren und kam am Ende des Kolonialreichs mit zehn Jahren nach Marseille, wo er aufwuchs. Sein ursprüngliches Lebensziel entsprach gar nicht den Vorstellungen seiner Eltern: Er ging voller Abenteuerlust als Matrose zur See, absolvierte dann aber doch den Mittelschulabschluss, zu dem er später sagte: „Mit meinem Literatur-Baccalauréat würde mich heute keine medizinischen Fakultät zulassen.“

Im Verlauf seiner Studien packte ihn ein anderes Entdeckungsfieber: die Jagd auf Mikroben. Seine Forschungserfolge im Bereich der klinischen Mikrobiologie erregten rasch Aufsehen, er wurde Professor für Infektionskrankheiten an der Medinizischen Fakultät Marseille, und seit 2017 ist er in seiner Stadt Leiter des renommierten Forschungsinstituts IHU Infection Méditerranée. Dass er noch 2015 die Berichte und Prognosen der Klimaexperten infrage stellte, hat seinem Ruf als Wissenschaftler jedoch geschadet. Auch die Tragweite der Covid-19-Epidemie hat er zunächst verharmlost: „In China sterben drei Menschen, und es gibt gleich weltweit Alarm.“ Das alles sei Wahnsinn, „haben die Leute denn nichts anderes zu tun?“

Das hinderte ihn aber nicht, als einer der Ersten die Behandlung von Coronavirus-Patienten mit einem Malariamedikament zu erforschen und den Medien sogleich triumphierend seine ermutigenden Resultate anzukündigen, während er sich über den Argwohn gewisser Kollegen beklagte: „In Paris tun sie sich schwer damit, zuzugeben, dass Frankreich nicht mehr der wissenschaftliche Nabel der Welt ist. Die fähigsten Forscher sind heute in Asien.“ Rudolf Balmer, Paris

„im fokus“: Ab heute finden Sie hier in jeder taz-Wo­chen­tagsausgabe eine Geschichte über Menschen, Projekte oder Initiativen, die sich engagiert mit dem Coronavirus und seinen Folgen auseinandersetzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen