hungerstreik im knast: Schwitzen und Aussitzen
An den Tatsachen ist nicht zu rütteln. Man muss sich nicht selbst in der Justizvollzugsanstalt Tegel, Deutschlands größter Männerhaftanstalt, ein Bild von den Haftbedingungen machen. Man muss nicht wissen, dass auf 1.700 Inhaftierte in etwa fünf Quadratmeter zum Dasein hinter Gitter abfallen. Dass Sozialarbeiter durch billigere unqualifizierte Vollzugsbeamte ersetzt werden. Allein die immer wieder betonten hohen Rückfallquoten entlassener Strafgefangener legen auch für Außenstehende dar, dass es um den Strafvollzug nicht zum Besten bestellt ist.
Kommentar von PETRA WELZEL
Es war daher nur eine Frage der Zeit, bis es nach größeren Hungerstreiks 1989 und 1994/95 jetzt in der JVA Tegel zu erneuter Verweigerung der Nahrungsaufnahme gekommen ist. Die Forderung der Inhaftierten klingt bescheiden: Man wolle nur mit einem Vertreter der Senatsverwaltung für Justiz über die Haftbedingungen sprechen. Und bis das nicht geschehe, wolle man hungern, sagte gestern entschieden Wieland Herrmann, der Unterzeichner der gemeinsamen Streikerklärung der Gefangenen.
Dass Herrmann Mitglied der Partei des Justizsenators ist, macht diesen ersten Streik unter dem rot-grünen Senat zu einer delikaten Angelegenheit. Der grüne Senator wird daran erinnert, welcher Partei Kind er ist. Und welch großartige Strafvollzugsreform die Grünen schon 1989 angehen wollten – und verpatzten.
Doch bis zu den Wahlen im Oktober wird Wolfgang Wieland kaum mehr als Lippenbekenntnisse geben können. „Schwitzen statt Sitzen“ – sprich: Arbeiten für einen guten Zweck – lautet der Titel einer angedachten Vollzugsreform des Vollzugs. Vorerst dürfte der Senator schwitzen und das Problem aussitzen.
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