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hühnervernäher und witzbildchenzeichner: eine hommage von RALF SOTSCHECK

Es kommt einem vor, als wenn es erst gestern gewesen wäre: Da stand ein kleiner Junge in kurzen Hosen in der taz-Redaktion und wollte Witzbildchen zeichnen. Das ist in dieser Woche genau zehn Jahre her, und seitdem hat Tom Tag für Tag seinen Streifen abgeliefert – mit einer winzigen Unterbrechung im vergangenen Sommer, als die taz ihm erstmals einen Urlaub spendierte. Es gibt keinen Zeichner in Deutschland, der dermaßen täglich liefert. Herzlichen Glückwunsch!

Aber er kann noch mehr: Tom gilt als Geflügelspezialist. Als wir einmal im Juli bei 30 Grad Außentemperatur mit Carola Rönneburg Weihnachten feierten, weil wir zu dritt soeben ein Weihnachtsbuch fertig gestellt hatten, besorgte Tom eine Gans von der Größe eines Straußes. Wie er das Tier dann verschnürte, damit es in den Ofen passte, und dabei „O Tannenbaum“ sang, war gekonnt.

Er soll sich auch an Hühnern vergreifen. Mir liegt eine eidesstattliche Erklärung des Kollegen Wiglaf Droste vor: „Der saubere Herr Körner liebt es, in seiner Freizeit nackte tote Hühner zu kaufen, sie mit Walnüssen, gewürfeltem Speck und Weintrauben zu füllen, sie anschließend mit fanatischem Gesichtsausdruck und großem Vergnügen zu vernähen, sie in die Backröhre zu schieben, dort garen zu lassen und anschließend im Verein mit zwielichtigen Subjekten zu verzehren, und dies habituell und ohne Reue.“ Droste muss es wissen, er ist eins dieser zwielichtigen Subjekte. Tom sagt zu seiner Verteidigung: „Erst wenn der letzte Baum versiegt und der letzte Fluss gestorben ist, werdet ihr verstehen, dass man Hühner essen muss.“

Nur mit dem Autofahren klappt es nicht so gut. Im Frühsommer war Tom mit seiner Freundin Annette in Irland. Er hatte sich einen roten Sportwagen gekauft und wollte ihn ausprobieren. Was lag näher, als auf die Grüne Insel zu fahren, das Land, wo das Fahren mit offenem Verdeck zum Alltag gehört? Es ging dennoch gut, weil der kleine Flitzer unter dem Nieselregen hindurch huschte. Die Fahrt an die Westküste wird Tom aber lange in Erinnerung bleiben.

Wir waren recht spät in Dublin losgekommen. Ich fuhr in meinem ebenfalls roten Uralt-Golf voraus, weil in einem italienischen Sportwagen nur Platz für zwei Personen ist. Da die Zapfhähne zu versiegen drohten, legte ich einen Zahn zu. Die verzweifelten Langsamkeitsbegehren unterwegs per Handy ignorierte ich – es drohte schließlich ein trockener Abend. Als wir endlich an unserem Ziel ankamen, war Tom schweißgebadet und um etwa zehn Jahre gealtert. „Weißt du überhaupt“, fragte er entnervt, „wie schnell du gefahren bist?“ – Nein, mein Tacho war kaputt. „Ich musste einmal 155 Sachen auf der verdammt schmalen Landstraße fahren, um dich einzuholen!“

Nach dem ersten Bier und Whiskey errang er halbwegs seine Fassung wieder. Es wurden dann viele Runden. Der Wirt weigerte sich, den Laden zu schließen. „Sieh dir ihn doch mal an“, sagte er und zeigte in Toms Richtung. „Der Mann ist doch völlig fertig. Er scheint noch ein paar Drinks zu brauchen, der arme Teufel.“

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