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Archiv-Artikel

holocaust-mahnmal Unvermeidlich peinlich

Es gibt Fragen, auf die es nur mehr oder weniger falsche Antworen gibt. Das gilt stets bei der symbolischen Repräsentation der Nazi-Geschichte. Ist das Holocaust-Mahnmal letzlich ein Entlastungsversuch: erst Weltmeister im Morden, dann im Verdrängen, dann im Verarbeiten? Oder zeigt es, dass deutsches Selbstverständnis nie mehr ohne den Holocaust zu denken sein wird? Oder gelingt die Entlastung, gerade weil sich die Deutschen nun seit Jahren so teutonisch ernst um das „richtige“ Gedenken bemühen?

Kommentar von STEFAN REINECKE

Ein besonders seltsame Variante dieses Richtig-erinnern-Dramas ist der Streit um die Degussa. Eine Tochterfirma der Degussa hat seinerzeit Zykon B produziert. Doch die Degussa hat sich mehr als andere deutsche Firmen um die NS-Zeit gekümmert und ist überdies beim Bau des Holocaust-Mahnmals nur zu einem hohen Preis ersetzbar. Die Degussa-Gegner meinen, dass Gefühle Überlebender verletzt werden. Kann man ein Denkmal bauen, das Opfer beleidigt?

Das Kuratorium hat sich nun für die Degussa entschieden –wohl auch weil es eine Art Shoa-Maut-Desaster fürchtete. Man wollte sich ersparen, der ratlosen Öffentlichkeit immer weitere Verzögerungen mit Geldmangel erklären zu müssen. Neben diesen praktischen Erwägungen gibt es noch ein paar Gründe, den Degussa-Ausschluss rückgängig zu machen. Das Grundstück, auf dem das Mahnmal errichtet wird, ist ein Geschenk der Bundesrepublik, des Rechtsnachfolgers Nazideutschlands. Wenn gilt, dass nur Firmen beteiligt sein dürfen, die im Nazi-Reich unbelastet sind, kann man wohl von vorne beginnen.

So führen viele Pro- und Contra-Argumente in eine Art moralisches Nirgendwo. Sie sind peinlich – in schmerzhafter Weise der Sache nicht angemesssen.

Die Peinlichkeit dieser Affäre liegt nicht in diesem oder jenem Fehler, sie liegt in der Struktur der Sache. Ein Denkmal der Täter für die Opfer kann nicht moralisch unfallfrei über die Bühne gehen. Und wenn, wäre fraglich, ob so eine reibungslose Abwicklung wirklich wünschenwert ist.

Die klügste Idee stammt von Salomon Korn. Die von der Degussa bereits bearbeiteten Stelen sollten stehen bleiben, die Affäre gewissermaßen Teil des Denkmals werden. Das wäre eine mutige Entscheidung gewesen. Sie hätte die unvermeidlichen Ambivalenzen des Mahnmals zum Ausdruck gebracht – und zwar ohne jene Hauruck-Didaktik, für die Lea Rosh bekannt ist. Eine versäumte Chance.