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Archiv-Artikel

hörhilfe Siehe: Mit geduldiger Konzentration kann ein jeder gottgleich werden. Hier spricht der Dalai Lama!

In Heilserwartung

„Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt – dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.“ Es rückt den 14. Dalai Lama, der ja nicht nur in seiner Heimat als Inkarnation des Religionsstifters Buddha gilt, noch näher und menschlicher an uns heran, wenn er solch wunderbar wasserdichte Binsen spricht. Und siehe, die Worte des sonnigen Mönchs mit dem Teddybärgesicht und der violett getönten Ostzonenbrille treffen auf besondere Resonanz unter denen, die im Luxus leben.

„Der Weg zum Glück“ heißt der letzte Besteller des Dalai Lama, der im vorigen Jahr um ein Haar mit dem Deutschen Bücherpreis in der glamourösen Sparte Ratgeber ausgezeichnet worden wäre und jetzt auch als Hörbuch zu haben ist. Er gibt – leider ohne sonderlich stringente Gliederung – eine knappe Einführung in das praktische Leben des Buddhisten, stellt mögliche „Übungen“ vor und versucht sich ausgiebig am Beweis einer nicht ganz neuen philosophischen These, nämlich der von der Bedingtheit und Relativität aller Existenz sowie vorzüglich dessen, was wir als Selbst wahrnehmen. Manche Vokabeln glaubt man noch mal übersetzen zu müssen, so zum Beispiel die drei Schritte „Ethik – Konzentrierte Meditation – Weisheit“ in „Theorie – Training – Praxis“, oder die „Leerheit“, welche alles Sein bestimmt, ohne das Nichts zu meinen, in „Dynamik der Vergänglichkeit“. Die Audiovariante übertrifft dabei das Buch-Original in mehrfacher Hinsicht. So liest erstens die sanft einschläfernde Stimme des Sprechers Peter Lieck, zweitens gelegentlich unterbrochen vom weltbekannten indischen Bansuri-Flötisten Hariprasad Chaurasia, eine drittens dankenswerterweise gekürzte Fassung.

Tatsächlich ist das, was der Dalai Lama als Utopie der Selbstverwirklichung vorschlägt, von relativer Großartigkeit und wahrscheinlich nur länger als eine Sekunde denkbar, wenn man imstande ist, sich wirklich zu konzentrieren. Er geht davon aus, dass der (menschliche) Geist als Ursache von Existenz diese auch beeinflussen, steuern und kontrollieren kann – ein im Grunde simpler, in letzter Konsequenz megalomaner und in jeder Hinsicht mit der modernen Leistungsgesellschaft kompatibler Gedanke: Mit geduldiger Übung und Disziplin kann also jeder gottgleich werden. Vor Missbrauch schützt jedoch die zweite, weitaus schwierigere, da dem Individualismus entgegengesetzte Annahme, dass nämlich Glück nur möglich und von Dauer sein kann, wenn es nicht auf das Selbst bezogen (was Neid, Gier, Eifersucht etc. nach sich zöge), sondern sofort verschenkt wird.

Naturgemäß ist vor allem das Trainingslevel des pragmatisch orientierten Buddhismus längst Teil des westlich zivilisierten Alltags und Lebenshilfediskurses geworden. Jedes Schulkind kann mindestens zwei der fünf Tibeter aus dem Effeff nachturnen, der Besuch von Tantrakursen hat den Initiationsstellenwert einer Peepshow und insbesondere die heilungsfördernden und spirituellen Sekundärdisziplinen des panasiatischen Lifestyles lassen sich lebenslänglich vermarkten. Ein wunderbares Paradox, wie es wohl nur die energetische Verbindung von Kapital und Religion hinkriegt: der Kunde bezahlt gerne dafür, dass man ihm rät, sich zu quälen, in Geduld und Askese zu üben. Ein Deal, bei dem man sich sofort in Heilserwartung und schlagartig besser fühlt: Jetzt heißt es Treuepunkte sammeln für den anspruchsvolleren Wellness-Charity-Bereich. EVA BEHRENDT

Dalai Lama: „Der Weg zum Glück“. 2 CDs, Der Audio-Verlag 2003, 157 Min.