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hörhilfeStephen Kings Horror mit Ulrich Pleitgens Stimme

Sitzen, rauchen, Ohren spitzen

„Im Auto lasse ich gerne Hörbücher laufen.“ Stephen King: „Das Leben und das Schreiben“

Diese tief schürfende Auskunft ist die einzige Botschaft, die uns der Ullstein-Verlag im Booklet zu „Blut und Rauch“ – drei „filterlose Storys“ von Stephen King – gleichsam aphoristisch übermitteln möchte. Ohne Auto, das ist klar, entgeht dem Hörer einiges. Keine ausgestorbenen brandenburgischen Highways, auf denen man des Nachts zitternd hinterm Steuer verkrampft, von Mr. Kings blutbeschwörender Prosa gehetzt wird. Stattdessen versucht der autolose Mensch am heimischen Herd möglichst geräuschlos zu spülen, die Fenster zu putzen oder endlich die Stofftaschentuchsammlung durchzubügeln. Denn Zuhören als ausschließliche Tätigkeit, still sitzend ausgeführt, ist ausgestorbene Tugend und ein Luxus, den man höchstens besten Freunden angedeihen lässt.

Stephen King-of-horror, der manische Vielschreiber und jüngst gescheiterte Internet-Alleingänger, mag „Blut und Rauch“ als Auftragswerk für eine Gesundheitskampagne geschrieben haben. Jedenfalls taucht mit mäßiger Motivation in jeder der drei Kurzgeschichten eine Episode eklatanter Versuchung für Exraucher auf: Man hat zwar dem Tabak adieu gesagt, wird aber schwach, sobald die Ereignisse einem die Nackenhaare aufstellen. Dank Ulrich Pleitgens brillant beschleunigter Vortragsweise, die manchmal fast nach investigativ ins Diktiergerät geflüstertem Gefahrenjournalismus klingt, gerät rasch auch der Hörer in einen Zustand nervöser Unruhe. Nach dem noch eher mühsam konstruierten Scheidungsdrama „Lunch im Gotham Café“, bei dem ein amoklaufender Oberkellner die Kundschaft mit dem Säbel massakriert, stellt man bei „1408“ langsam das Bügeleisen ab. Ein erfolgreicher Horror-Schreiber sucht zur Inspiration Friedhöfe, Schlossruinen und andere klassische Schreckensorte auf, an deren Unheil er selbstverständlich keinen Augenblick ernsthaft glaubt. Doch der Direktor eines New Yorker Hotels, wo der Autor in der legendären Spuksuite 1408 auf der 13. Etage übernachten will, versucht den Leichtsinnigen gut die Hälfte der Geschichte lang von seinem Vorhaben abzubringen. Man weiß, der Mann hat Recht. Und siehe da, die Nacht gerät zur psychedelischen Tour de force.

Dabei fabriziert King nichts weiter als technisch solide designte Miniaturen. Lesend würde man die zwecks Spannungssteigerung ausufernd geschwätzig gestalteten Passagen wahrscheinlich generös und von Neugier getrieben überfliegen. Das Medium Hörbuch im Allgemeinen, Ulrich Pleitgens Sound im Speziellen berauben einen dieser Freiheit aufs Charmanteste: nur noch sitzen, eine rauchen und ausgeliefert Ohren spitzen. EVA BEHRENDT

Stephen King: „Blut und Rauch. Drei filterlose Storys“. Gelesen von Ulrich Pleitgen, 4 CDs, 265 Minuten, Ullstein Hörverlag, 39,90 DM

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