hier könnte ihre überschrift stehen:
von KATHRIN PASSIG
Mein Lieblingsbuchhändler amazon droht zum Zweitlieblingsbuchhändler abzurutschen, seit man dort jede E-Mail und jede Büchersendung mit der hysterischen Aussage „crazy for you“ versieht. Bis vor kurzem warb amazon mit „Einfach so einkaufen“, und das stimmte sogar, denn einkaufen konnte man dort, und einfacher als anderswo war es auch. Ich glaube nicht, dass es marketingtechnisch dringend erforderlich war, amazon den rustikalen Charme einer Dorfdisco zu verleihen, aber da die Konkurrenz mit „My Entertainer“ und „Mein Buchladen im Internet“ auch keine bessere Figur macht, werde ich amazon wohl vorerst treu bleiben müssen.
Diese entstellenden Kröpfe, die unter dem Markennamen baumeln, heißen Claims. Das weiß ich von Frl. Strübel, die tagsüber in einer Werbeagentur an die Ruderbank gekettet ist. In den Schulbüchern der neunten Klasse, die uns unter Zuhilfenahme von Ingeborg-Bachmann-Gedichten die Fähigkeit zur kritischen Rezeption von Werbung vermitteln sollten, hießen Claims noch Slogans, aber damals konnte man auch zur Werbung noch Reklame sagen und zu Twix Raider. „Pädagogische Zeitverschwendung“, „Quatsch“ und „verlorene Liebesmüh“ heißen allerdings heute immer noch genauso.
Ganz früher nannten sich Claims vermutlich noch mal anders und machten sich nützlich, indem sie den Verwendungszweck neumodischer Konsumgüter hilfreich umrissen: „Erdal – für die Schuhpflege“ oder „Trinkt Berliner Kindl“. Dieser Stand der Unschuld lässt sich heute nur noch im türkischen Einzelhandel hin und wieder erahnen, wo Shampoo treuherzig versichert, es mache das Haar sauber, und Süßigkeiten einfach „süß“ schmecken wollen. Wer daraus schließen möchte, die türkische Hausmarke „Efes Pilsener“ werbe mit der Behauptung, dieses Bier schmecke in etwa wie Bier, der liegt nicht ganz falsch: „Efes Pilsener – The Beer“ lautet dessen von multikulturell versierten Marketingstrategen solide gezimmerte Werbeaussage. Der deutsche Mittelstand dagegen schätzt den Doppelclaim, bei dessen Lektüre man den Auftraggeber vor sich sehen kann, wie er stur darauf beharrt, dass er schließlich alle Vorschläge bezahlt hat und folgerichtig auch alle auf sein Ladenschild schreiben wird. „Konnopkes Imbiss: Wenn’s um die Wurst geht – Tradition mit Geschmack“ kommt dabei heraus.
Aber weder der Online-Buchhandel noch Konnopkes Imbiss können, was den Hang zum imbezilen Claim angeht, mit der Spediteursbranche mithalten. Wenn man auf der Autobahn alle zweihundert Meter von „Ihr Logistikpartner“, „Wir bewegen was“ und „Logistik ... logisch!“ gepeinigt wird, kann einen schon ein gewisser Überdruss anwandeln. Aber erst Kapitalverbrechen wie „Alles drin, alles dran, alles Zapf“ oder „Da lacht die Fracht“ bringen einen auf den Gedanken, es sei hienieden alles eitel und der schnelle Biss in die Leitplanke dem plagenreichen Erdendasein womöglich vorzuziehen. Und was Frl. Strübel dann auf meinen Grabstein metzen lassen wird, mag ich mir gar nicht ausmalen. „Hier könnte Ihre Werbung stehen“ vermutlich.
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