heute in hamburg: „Die Steuerzahler wurden wirklich beraubt“
Theaterstück „Cum-Ex Papers – Eine Recherche zum entfesselten Finanzwesen“: 20.15 Uhr, Lichthof Theater, Mendelssohnstraße 15.
Interview Katharina Gebauer
taz: Herr Schmidt, warum haben Sie die Aufdeckung des größten Steuerraubs der deutschen Geschichte begleitet?
Helge Schmidt: Ich wollte dafür sorgen, dass Wirtschaftsskandale nicht in Vergessenheit geraten, und sie verständlich machen – mit einem Theaterstück. Die Förderung hatte ich bereits in der Tasche. Es war also schon klar, dass ich darüber etwas machen würde. Die Journalisten und Journalistinnen, die davon erfuhren, haben mich dann angesprochen und meinten: Die große Nummer kommt noch.
Was hat Sie an dem Steuerbetrug so interessiert?
An Wirtschaftssteuerskandalen ist so interessant, dass eben nichts passiert. Man kann die hinnehmen, lesen, was passiert ist und die Zeitung dann wieder weglegen. Ich wollte wissen, warum das so ist. Was der Auslöser dafür ist, dass sich die Menschen bei objektiv skandalösen Sachen nicht aufregen und wütend werden. Wie ein kritischeres Bewusstsein geschaffen werden kann.
Und wie kann man das?
Die Dinge müssen anders erzählt werden. Es wurden nicht nur Steuergelder gespart, sie wurden wirklich geraubt.
Wie haben Sie das für die Bühne umgesetzt?
Wir haben uns Erzählmustern aus Literatur, Film und Theater bedient. „Spotlight“-ähnlich haben wir die investigative Recherche dramaturgisch aufgearbeitet, damit die Zuschauer anders zuhören können und sie das, was passiert, auch anders verstehen. Sie müssen sich identifizieren können – Sie, die Steuerzahler – wurden ja beraubt.
Ist mittlerweile schon wieder Gras über die Sache gewachsen?
Nein, es ist noch stark in der Öffentlichkeit, wenn man die Folgen des Sachverhalts aktiv verfolgt. Es gibt weitere Anklagen, doch es wird für spezielles Interesse berichtet, wie etwa im Handelsblatt. Würde der Sachverhalt endlich in einer Talkshow für ein breiteres Publikum behandelt, könnte man auch ein moralisches Urteil fällen.
Welche aktuellen Sachverhalte müssten anders erzählt werden, damit die Menschen sich aufregen?
Genau wie bei den Cum-Ex Papers profitieren nur die Bösen beim Dieselskandal oder in der Kohleindustrie, wenn wir sagen, das ist zu komplex, um es zu verstehen. Komplexität ist kein Erzählmuster, das der Gesellschaft hilft. Bestrafen wir etwa VW, verliert doch angeblich jeder und jede Deutsche ihre Arbeitsplätze. Dabei ist es doch das Wesen des Rechtsstaats, Verbrechen zu bestrafen.
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