piwik no script img

heute in hamburg„Es gab keine Todesdrohung mehr“

Kundgebung „Gedenken an die ersten inhaftierten Frauen am Dessauer Ufer“: 18 Uhr, Lagerhaus G, Dessauer Straße. Eintritt frei

Interview Katharina Gebauer

taz: Herr Jakubowski, was macht das Lagerhaus G historisch so besonders?

Jonas Jakubowski: Das Lagerhaus G ist ein ehemaliges Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme, das im Juli 1944 eingerichtet wurde. Es war das erste reine Frauenaußenlager. Heute vor 75 Jahren sind die ersten 1.000 Frauen angekommen, die auch mit den ersten 1.000 Nummern versehen wurden. Sie kamen aus der Tschechoslowakei und Ungarn, wo sie als Jüdinnen von den Nazis verfolgt wurden. Es gibt etwa 30 Berichte von Überlebenden, aus vier davon werden wir vorlesen.

Worum geht es in deren Berichten?

Es sind vor allem Frauen aus der ehemaligen Tschechoslowakei. Sie wurden 1942 und 1943 in das KZ Theresienstadt deportiert und kamen von dort aus 1944 nach Auschwitz. Nach der Selektion sind sie nach Hamburg gebracht worden. Mithilfe der vier Berichte gehen wir besonders auf die Ankunft im Lagerhaus G ein.

Was bedeutete es für die Frauen, da anzukommen?

Für die Frauen bedeutete das eine Wende in ihrem Leben, es gab keine Todesdrohung mehr. Sie durften arbeiten. Zudem nehmen Überlebensstrategien einen großen Platz in den Berichten ein: Solidarität unter den Frauen war ein Muss, aber auch die Wachmannschaft war von Bedeutung. Es waren wenige SS-Männer, sondern ehemalige, meist bereits pensionierte Zollbeamte. Dies eröffnete den Frauen Handlungsspielräume, die sie für ihr Überleben nutzten.

Wofür setzt sich Ihre Initiative ein?

privat

Jonas Jakubowski, 24, ist Mitglied der Initiative Dessauer Ufer.

Wir sehen die Lagerhalle G als einen geeigneten Gedenk- und Lernort, um über die Zwangsarbeit zu informieren. Der angrenzende Stadtteil Veddel würde zudem von Räumlichkeiten für Stadtteiltreffen profitieren. Weitere mögliche Nutzungskonzepte wären Räumlichkeiten für die Poliklinik auf der Veddel und die muslimische Gemeinde.

Wofür werden die Gebäudekomplexe momentan genutzt?

Offiziell liegt das Lagerhaus brach. Der jetzige Besitzer will seinen Kaufvertrag nicht zeigen. Es braucht für eine Nutzung aber einen Vertrag zwischen Gebäudebesitzer und der Hafenbehörde Hamburg Port Authority, die für die Stadt für den Grund und Boden des Hafens zuständig ist. Der Stadtteil Kleiner Grasbrook, in dem das Lagerhaus steht, wird demnächst aber Teil der östlichen Hafencity und gehört damit der Hafencity GmbH. Wir werden versuchen, unsere Forderungen dort einzubringen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen