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heute in hamburg„Ein großer blinder Fleck“

Lesung und Diskussion: „Nicht nur Mütter waren schwanger – Unerhörte Perspektiven auf die vermeintlich natürlichste Sache der Welt“, 19 Uhr, Uni Hamburg, Von Melle Park 5, Raum 0079, Eintritt frei

Interview Till Wimmer

taz: Frau Tretau, gibt es unnatürliche Schwangerschaften?

Alisa Tretau: Im hetero-gefärbten Diskurs wird häufig erzählt, Paare seien einfach so zufällig schwanger geworden, das zweifle ich an. Natürlich kommt das vor, aber meine These ist, dass hinter diesen Schwangerschaften häufig dennoch eine Entscheidung steht. In lesbischen Beziehungen und im Falle einer künstlichen Befruchtung muss man sich sowieso aktiv dafür entscheiden. Da greift der Diskurs um die vermeintlich natürliche Schwangerschaft also nicht.

Welche Erfahrungen machen lesbische Paare mit Kinderwunsch?

Lesbische Paare haben zwei Möglichkeiten. Einerseits können sie sich privat einen Spender suchen, rechtlich ist das jedoch mit viel Unsicherheit verbunden. Oder sie greifen auf die Reproduktionsmedizin zurück. Als verheiratetes Hetero-Paar bekommt man dabei einen großen Teil der Kosten erstattet, als lesbisches Ehepaar nicht. Aus familienpolitischer Sicht hat die Ehe für alle also gar keine positiven Auswirkungen.

Und Trans-Männer mit Kinderwunsch?

Dass Kinderwünsche nicht unbedingt ans Geschlecht gebunden sind, ist gesellschaftlich ein großer blinder Fleck. Dass es überhaupt Menschen gibt, die sich als Männer definieren und Kinder bekommen wollen, wissen die allermeisten nicht. Wenn ein Trans-Mann ein Kind bekommt, muss dieser in der Geburtsurkunde als Mutter mit weiblichen Vornamen eingetragen sein.

Was hat Sie dazu bewogen, diesen Sammelband herauszugeben?

Alisa Tretau, 33, Herausgeberin und Autorin, arbeitet außerdem als Regisseurin, Performerin und Workshop­leiterin.

Ich habe festgestellt, dass es nur sehr wenige Orte gibt, an denen über Fehlgeburten und unerfüllte Kinderwünsche gesprochen wird. Auch in vielen Schwangerschaftsratgebern wird das Thema unter den Teppich gekehrt. Dabei liegt die Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt in den ersten drei Monaten zwischen 15 und 30 Prozent. Daraus ist bei mir das Bedürfnis entstanden, ein Buch zu veröffentlichen, in dem marginalisierte Erfahrungen, auch von queeren Menschen, erzählt werden.

Wie sind Sie mit Ihrer Fehlgeburt umgegangen?

Meinem Umfeld fiel es schwer, einen tröstenden Umgang damit zu finden. Schwangerschaften sind ja vor allem etwas Positives. Genau wie bei dem Thema Tod oder bei schweren Krankheiten, will man helfen, aber tut sich schwer, das Thema anzusprechen. Auch deshalb wird es an den Rand gedrängt. Als ich darüber gesprochen habe, habe ich gemerkt, dass viele andere ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Das hat mir geholfen, es zu akzeptieren.

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