heute in hamburg: „Kofferweise Mobiltelefone eingekauft“
Ausstellung im Rahmen der Dokfilmwoche, Eröffnung 14 Uhr, Frappant, Zeiseweg 9, Eintritt frei
Interview Marinus Reuter
taz: Herr Kötter, Ihre Filmarbeit „Establishing Shots“ gibt einen Einblick in den wirtschaftlichen und kulturellen Austausch zwischen Afrika und China. Wie sind sie auf das Thema gekommen?
Daniel Kötter: Mein Kollege Jochen Becker hatte auf einer Chinareise eine Beobachtung gemacht: Er sah Reisende aus Afrika, die nebenbei kofferweise Mobiltelefone aus chinesischer Produktion eingekauft hatten. Damit konnten sie in Afrika ein kleines Business anfangen. Dieser Bottom-Up-Handel hat uns aufmerken lassen, dass da etwas vor sich geht.
Bedeutet dieser vom Westen unabhängige kulturelle Austausch auch etwas für uns hier in Hamburg?
Eine ganze Menge. Durch die gewachsenen Beziehungen zwischen China und Afrika und auch durch den Postkolonialismus verändert sich das Selbstverständnis Europas. Wir sind dadurch herausgefordert, uns komplett neu zu positionieren. Deswegen berührt uns das Thema nicht nur marginal, sondern führt in das Herz des Selbstverständnisses auch unseres Kontinents. Weil diese Dinge derzeit an Europa vorbeigehen, könnte es dazu führen, dass wir gar nicht bemerken, welches Potenzial dort gerade entsteht.
Wie stellen Sie dieses komplizierte Thema in Ihrer Arbeit dar?
Daniel Kötter, 43, ist Filmemacher und Regisseur. Die Bilder seines Films Chinafrika. mobile, der am Sonntag gezeigt wird, filmten lokale ProduzentInnen.
Die Arbeit „Establishing Shots“ stand am Anfang eines größeren Projekts und bietet, wie der Titel nahelegt, eine Übersicht in 58 kurzen Filmeinstellungen. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, die Arbeit auf das Visuelle zu reduzieren. Darin liegt die Geste: Erst einmal hinschauen, was wirklich zu sehen ist, statt es voreilig diskursiv einzuordnen. So betone ich auch die Eigenständigkeit des Gegenstands. Die einzelnen Filme werden dann in meiner Installation auf 58 Mobiltelefonen aus chinesischer Produktion abgespielt.
Die Arbeit ist außerdem Teil des kollaborativen Projekts Chinafrika Working Groups, in dem Sie sich auf diskursive Arbeit konzentrieren.
Genau. So ist zwischen lokalen Akteuren, KünstlerInnen und TheoretikerInnen aus Lagos, Johannesburg und Lubumbashi, aus Guangzhou und uns ein Gespräch entstanden – und natürlich haben unsere dort lebenden KollegInnen eigene Darstellungen entwickelt. Das ist wichtig, um eine weiße, männliche und europäische Perspektive nicht einfach zu reproduzieren.
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