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heute in hamburg„Ein Schleier der Apathie hing über dem Land“

Mexiko 2019: Zwischen Hoffnungen, Herausforderungen und Widerständen, Vortrag,19 Uhr, Centro Sociale, Sternstraße 2, Spenden erwünscht

Interview David Günther

taz: Frau Huffschmid, wann waren Sie das letzte Mal in Mexiko?

Anne Huffschmid: Im Januar war ich dort.

Seit dem 1. Dezember 2018 ist Präsident López Obrador im Amt. Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung?

Unterschiedlich. Zwar gibt es Kritik und Skepsis zur Politik von López Obrador. Doch die Stimmung war auch noch nie so hoffnungsvoll. Die Menschen hoffen auf Veränderung. Ich beschäftige mich schon seit dreißig Jahren mit Mexiko, reise sehr oft dorthin. Zum ersten Mal war in der Bevölkerung nicht die Rede von Wahlbetrug.

Wie war es vorher?

Davor hing lange immer ein Schleier der Apathie über dem Land. Viele Leute dachten, dass ihre Meinung eh nicht gefragt ist.

Sie sprachen aber davon, dass es auch Kritik gibt. Welcher Art?

Es gibt viele begründete Vorbehalte. Ein Beispiel ist das Maya-Train-Projekt, das den Tourismus ankurbeln soll; dies wird nicht nur von den indigenen Völkern, sondern generell von vielen ExpertInnen kritisiert. Auch von vielen Leuten, die in den Regionen leben und sich mit diesen Themen beschäftigen. Die großen Infrastrukturprojekte stehen ohnehin in der Kritik.

Anne Huffschmid, Kulturwissenschaftlerin an der FU Berlin und Autorin, bis 2003 Korrespondentin in Mexiko.

Sie sprechen in ihrem Vortrag auch die Widersprüche an.

Obrador muss nach allen Seiten zusammenarbeiten und Kompromisse eingehen. Für Obrador geht es zwar um soziale Gerechtigkeit und die Armutsbekämpfung, jedoch nicht um ein neues Wirtschaftssystem. Er will zwar faire Umverteilung, aber die großen Mächte sollen nicht angegriffen werden. Ein zentraler Punkt ist die Bekämpfung von Korruption und damit, denn das hängt eng zusammen, die Bekämpfung der Gewalt. Aber Obrador will explizit nicht die Vergangenheit aufarbeiten. Somit müssen die Täter und Mitverantwortlichen der schlimmen Verhältnisse Mexikos nicht mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen. Das ist ein zentrales Problem.

Wie sieht es mit der Gleichstellung von Frau und Mann aus?

Er ist ein christlich geprägter Mann und hat ein relativ konservatives Weltbild und Frauenbild. Auf seiner Agenda spielten Themen wie Gendergerechtigkeit oder auch Menschenrechte keine Rolle. Dennoch können sich in seiner Regierung politische Räume für Frauen öffnen.

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