heute in hamburg: „Es geht um Aufklärung in den Familien“
„Umgang mit Massenverbrechen in Familie und Gesellschaft“, 19 Uhr, Uni-Bibliothek Hamburg
Interview Yasemin Fusco
taz: Herr Wrochem, welche biografischen Gemeinsamkeiten haben Ihre Gäste?
Oliver Wrochem: Barbara Brix und Dieprand von Richthofen sind Nachkommen von NS-Tätern, Liliana Furió ist die Tochter eines Argentiniers, der während der rechten Militärdiktatur unter anderem für Folter verantwortlich ist. Diese Menschen setzen sich kritisch mit ihrer Verwandtschaft auseinander. Im Gespräch arbeiten wir Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Aufarbeitung von Massenverbrechen in Familien und Gesellschaften in Deutschland, Argentinien und Spanien, insbesondere Guernica, auf.
Fordern die Gäste die Besucher auf, ihre eigene Verwandtschaft zu hinterfragen?
Sie wollen offen und transparent zeigen, dass eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte gesellschaftspolitische Wirkungen erzielen kann und dass das Thema in die Öffentlichkeit gehört. Die Gäste wollen mit gutem Vorbild vorangehen. Wenn man sich selbst kritisch mit seiner Vergangenheit befasst, regt man andere dazu an, es einem gleichzutun.
Was soll außerdem mit dieser Diskussion erreicht werden?
Es ist zugleich eine Aufforderung an die Gesellschaft, sich mit diesem belasteten Erbe offensiv auseinanderzusetzen. Es gibt ja auch nichtdeutsche Familien, die dennoch in irgendeiner Form miteinander durch den zweiten Weltkrieg miteinander verbunden sind, selbst außerhalb Europas.
Die Familie von Richthofen ist untrennbar mit Guernica verbunden. Wie geht Dieprand von Richthofen damit um?
Herr von Richthofen ist sehr engagiert dabei, seine Familiengeschichte so gut wie möglich aufzuarbeiten. Ein Verwandter von ihm hat als Kommandant der „Legion Condor“ während des spanischen Bürgerkrieges die baskische Stadt Guernica bombardieren lassen. Darüber werden wir diskutieren und Herr von Richthofen möchte dazu beitragen, dass die Aufklärung der NS-Zeit vorangeht.
Wie reagieren die Zuschauer, wenn jemand so offen mit seiner persönlichen Geschichte umgeht?
Ganz unterschiedlich. Die meisten sind erleichtert, dass es Menschen gibt, die gegen familiäre und gesellschaftliche Widerstände an die Öffentlichkeit gehen. Andere sind der Meinung, dass die belastenden Hinterlassenschaften in der Familie bleiben sollten. Viele fühlen sich jedoch ermutigt, sich ihrer Familiengeschichte zu stellen und damit auch an die Öffentlichkeit zu gehen.
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