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heute in hamburg„Wer betroffen ist, hat Expertise“

Benedikt Sturzenhecker, 60, leitet den Arbeitsbereich Sozialpädagogik an der Universität Hamburg.

Interview Gernot Knödler

taz: Herr Sturzenhecker, ist uns die Demokratie in die Wiege gelegt worden?

Benedikt Sturzenhecker: Ja, weil alle Menschen ab der Geburt in Gegenseitigkeit aushandeln, was sie zusammen tun.

Das hat Ihre Forschung in Kitas ergeben?

Es ist eine konzeptionelle Grundannahme, darüber, dass Menschen kooperieren und kommunizieren müssen, um zu überleben.

Was gehört für Sie zur Demokratie?

Ein gleichberechtigter Zugang zu und Teilnahme an öffentlichen Verhandlungen und Entscheidungen über die kooperative Lebensführung.

Sie schreiben, Kinder könnten schon ab einem Alter von drei Jahren kompetent mitent­scheiden. Was bedeutet Kompetenz in diesem Zusammenhang?

Dass sie über Fragen ihrer Betroffenheit entscheiden können. Wer betroffen ist, hat Expertise. Die Kinder entscheiden ja nicht über die Energiewende, sondern darüber, was sie essen und wie sie mit Spielzeug umgehen wollen.

Zu demokratischen Prozessen gehört auch die Einhaltung bestimmter Verfahren. Haben die Kinder ein Gefühl dafür?

Wir sehen in der Forschung, dass die Kinder, die Methoden, die ihnen angeboten werden, genau verstehen und nutzen.

Ich dachte an geheime Abstimmungen …

Das ist eines dieser Verfahren. Drei- und Vierjährige können es uns präzise erklären und fähig handhaben.

In Erwachsenenrunden wird mitunter vorgeschlagen, auf eine geheime Abstimmung zu verzichten, mit dem Argument, man verstehe sich ja prächtig.

Das halte ich für eine Aufweichung demokratischer Prinzipien. Was Sie schildern, bezeichnen wir in der Forschung als ein Familienmodell. Man funktioniert im Rahmen vorhandener Beziehungsmuster, die nicht demokratisch hinterfragt und geändert werden können.

Diese Strukturen wären aber auch nicht das Zielgebiet für demokratische Prozesse.

Die Familie kann ein Feld sein, in dem zunehmend Demokratie praktiziert wird. Die erforschten Kinder kommen aus den Kitas nach Hause und sagen: „Lasst uns eine Familienkonferenz machen!“ Aber wenn demokratische Institutionen familienähnlich werden – dann entsteht ein Problem.

Jahrestagung „Demokratie und Soziale Arbeit“ der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit an der HAW: bis 28. 4., Berliner Tor 5

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