heute in hamburg: „Meinhof und Dutschke waren sich nahe“
Jutta Ditfurth, 66, Soziologin, Publizistin, Polit-Aktivistin, war Grünen-Mitglied und 1991 Mitgründerin der Ökologischen Linken.
Interview Petra Schellen
taz: Frau Ditfurth, was war das Besondere an der Freundschaft zwischen Rudi Dutschke und Ulrike Meinhof?
Jutta Ditfurth: Das inzwischen für mich Besondere ist, dass einige ältere rechtsgewandte Linke diese Freundschaft leugnen. Ein Mann hat mir mal ins Ohr gezischt, ich dürfe den heiligen Rudi nicht mit der terroristischen Ulrike beschmutzen. Außerdem gibt es immer wieder Anspielungen darauf, was Meinhof wohl von Dutschke gewollt haben könnte. Sich eine nicht erotisch konnotierte Freundschaft zwischen Mann und Frau vorzustellen, fällt auch manch linken Männern schwer.
Manche finden, dass die zwei auch politisch nicht zusammenpassten.
Ja, heute wird oft so getan, als ob Meinhof keine Vorgeschichte gehabt hätte – als Kriegskind, als Jugendliche gegen Atomwaffenbewegung, als Vordenkerin der Frauenbewegung. Viele sehen nur Meinhof ab 1970, nicht ihre Entwicklung.
Wie nahe stand Dutschke ihr politisch?
Die Militanz zum Beispiel war bei Dutschke viel früher da als bei Meinhof, die diese Konsequenz spät und aus anderen Anlässen zog.
Wie begann ihre Freundschaft?
Sie haben sich 1967 kennengelernt und sind dann in Kontakt geblieben. Sie war sechs Jahre älter, verheiratet, hatte zwei Kinder, war angesehene Journalistin. Er war ein armer Linker und versuchte, revolutionäre Zustände auf ihre Chancen abzuklopfen. Trotzdem gab es Übereinstimmungen.
Welche?
Beide wollten radikale Veränderungen der deutschen Gesellschaft. Beide waren Kriegskinder, die die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit ihrer Familie betrieben. Beide waren Antifaschisten, beide hatten in ihrer Jugend etwas Christliches mitbekommen und das dann zu etwas Neuem gemacht. Sie hatte es ganz abgelegt und war Mitglied der illegalen KPD, er nicht.
Wie lange bestand die Freundschaft?
Von 1967 bis 1969. Danach ging Meinhof in die RAF. Dutschke versuchte im Exil zu überleben.
Ist Ihr Buch das erste Dokument dieser Freundschaft überhaupt?
Nein, darum geht es nicht. Es ist ein Buch für junge Leute, die aus eigener Erfahrung nicht wissen, was die APO war, sowie für Menschen, die sich neu für die 1968er interessieren. Es ist ein Lesebuch zu 1968, eintauchend in die Ereignisse der Jahre 1967 bis 1969, erzählend aus der Perspektive der Beteiligten.
Lesung: Jutta Ditfurth liest aus ihrem Buch „Rudi Dutschke und Ulrike Meinhof. Geschichte einer politischen Freundschaft“: 20 Uhr, Polittbüro, Steindamm 45
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen