heute in hamburg: „Kontrolliertes Ausschlafen“
Andrea Vogel, 44, Fachärztin für Innere Medizin, arbeitet in der Notaufnahme im Klinikum Bremen-Mitte.
Interview Jean-Philipp Baeck
taz: Frau Vogel, was kann ich tun, wenn ich heute, zwei Tage nach Silvester, immer noch einen Kater habe?
Andrea Vogel: Viel Wasser trinken. Gut ist auch, Elektrolyte zu sich zu nehmen, etwa in Form einer Gemüsebrühe. Dann viel schlafen und sich gegen die Kopfschmerzen Pfefferminzöl auf die Schläfen reiben.
Was ist mit Schmerzmitteln?
Bei einem schlimmen Kater kann die Übelkeit so groß sein, dass man die gängigen Mittel nicht gut verträgt. Und mancher Schmerz hat ja vielleicht auch ganz andere Ursachen – etwa den Ausblick auf ein Jahr mit rechtspopulistischer AfD im Bundestag und mit zunehmendem Rassismus.
Warum wird mit zunehmendem Alter der Kater immer schlimmer?
Ist das so?
Bei mir schon.
Ich selbst kenne das nicht so schlimm, vielleicht weil ich vernünftig bin und nicht mehr so viel trinke.
Ab wann muss man ins Krankenhaus?
Eigentlich erst, wenn man über 24 Stunden keine Flüssigkeit bei sich halten kann. Aber besser wäre, sich beim Hausarzt ein Mittel gegen Übelkeit verschreiben zu lassen. In der Notaufnahme ist man mit einem Kater eigentlich immer fehl am Platz. Die Arbeitsverdichtung und Personalnot macht eine umfassende Anamnese dort unwahrscheinlich. Nur in einem Fall ist die Notaufnahme angebracht: beim Holiday-Heart-Syndrom.
Was ist das? Wie erkenne ich das? Habe ich das auch?
Das ist eine Form von Herzrhythmusstörung, die nach Alkoholexzessen vorkommen kann. Wenn sie einen unregelmäßigen sehr schnellen Puls über 130/Min. haben dann ist das ein Notfall.
Wie oft kommen Menschen mit Alkoholvergiftungen in die Notaufnahme?
Täglich. Und: Es gibt zur Klassifizierung von Krankheiten sogar einen ICD Code für Alkoholkater. Lebensgefährlich wird es, wenn die Leute so betrunken sind, dass sie sich im Schlaf erbrechen. Deshalb müssen wir in der Notaufnahme gut auf sie aufpassen – es ist dann ein kontrolliertes Ausschlafen des Rausches.
Was sind typische Verletzungen an Feiertagen?
Suizidversuche häufen sich. Es gibt Brandverletzungen mit Weihnachtbäumen und Böllern, Magenverstimmungen wegen zu fettigen Essens und vielleicht Gallenkoliken, wegen der Festtags-Gans.
Bei anhaltender Kater-Übelkeit: tagsüber zuR HausärztIn, ab 19 Uhr in die Notfallpraxen Altona (Strese-mannstraße 54) oder Farmsen (Berner Heerweg 124). Bei Notfällen: ☎112
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