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heute in hamburg„Man verliert die Kontrolle“

VORTRAG Psychoanalytiker und Künstler Matthias Oppermann spricht über die Angst vor Tunneln

Matthias Oppermann

60, ist niedergelassener Psychoanalytiker, Arzt für psychotherapeutische Medizin und freischaffender Künstler.

taz: Herr Oppermann, warum beschäftigen Sie sich mit Tunneln?

Matthias Oppermann: Hintergrund war eine Ausstellung 2008 im Stilwerk im Rahmen des Architektursommers. Zwei Fotografen hatten Tunneleingänge in Hamburg fotografiert und ich wurde vom Psychoanalytischen Institut gefragt, ob ich einen Vortrag halten würde über die Bedeutung des Tunnels in der Psychoanalyse. Damals fand ich es ein bisschen klischeehaft.

Sie behandeln nicht nur Tunnel in Hamburg, sondern in der Film- und Kunstgeschichte. Ein weites Feld, oder?

In Tunneln passieren in Filmen sehr merkwürdige Dinge. Meistens sind es Morde.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Der „Fremde im Zug“ von Al­fred Hitchcock. Der Tunnel ist oft als Übergangsszenario dargestellt, etwa in dem „Solaris“-Film von Andrei Tarkowski. Die Reise von der Erde zu Solaris, von einer Welt in die andere, wird symbolisiert durch eine atemberaubende Tunnelfahrt. In dem Horrorfilm „Blair Witch Project“ gibt es noch eine andere Art von Tunnel. Da läuft eine Gruppe durch den Wald und es gibt nur den Blick der Kamera mit ihrem Lichtkegel.

Wo taucht der Tunnel in der Kunstgeschichte auf?

Einen ganz alten Tunnel gibt es bei Niki de Saint Phalle. Sie hat eine große Skulptur in Stockholm gebaut: Eine liegende Frau, die Beine etwas geöffnet und die Menschen können in die Vagina hineinlaufen. James Turrell hat sich einen Krater gekauft und dort Tunnelsysteme angelegt. Durch die Lichtschächte kann man in den Himmel gucken.

Wofür steht der Tunnel psychoanalytisch?

Erst mal für die Vagina, für die Angst des Mannes, die Mär vom Vaginalspasmus: Der Mann steckt fest und der Notarzt muss kommen. Die ganzen genitalen und sexuellen Ängste ranken sich um den Tunnel.

Das heißt, Tunnelbauer und Höhlenforscher sind ganz besonders mutig?

Genau. Wenn man in den Tunnel hineinfährt, verliert man die Kontrolle. Deshalb wird ganz großer Wert darauf gelegt, wie Tunnel von außen aussehen. An die alten Eisenbahntunnel am Rhein hat man Türmchen oder Burgen gebastelt. Das soll die Tunnel wohl sicher machen. Die meisten Autounfälle passieren am Eingang. Und am Ende des Tunnels werden die Leute immer schneller, um möglichst schnell rauszukommen.

Interview: Gernot Knödler

Vortrag von Matthias Oppermann im Rahmen einer Tunnel-Kunstausstellung: 19 Uhr, Galerie Morgenland, Sillemstraße 79

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