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heute in hamburg„Die werden aktiver“

Graue Wölfe Ismail Küpeli spricht über die türkisch-nationalistische Szene in Deutschland

Ismail Küpeli

37, ist Politikwissenschaftler und Journalist. Er analysiert die Konflikte in der Türkei und im Nahen und Mittleren Osten.

taz: Herr Köpeli, gibt es aktuell eigentlich ein Problem mit den „Grauen Wölfen“ in Deutschland?

Ismail Köpeli: In den vergangenen zwei, drei Jahren ist zu beobachten, dass die Grauen Wölfe in vielen westdeutschen Städten aktiver werden. Das hat auch mit der Situation in der Türkei zu tun: Der Krieg mit den Kurden hat viele hier aktiviert.

Wie sind die Grauen Wölfe organisiert?

Bisher war, wie auch bei anderen türkischen Verbänden, die Moschee mit angeschlossenem Kulturverein der Treffpunkt. Da trifft man sich, redet über Politik und kann vielleicht Leute gewinnen, die noch nicht politisch aktiv sind.

Und jetzt?

Die Grauen Wölfe haben beispielsweise Motorradclubs gegründet. Auffällig ist, dass die Mitglieder dort sehr jung sind und aggressiver auftreten. Die Militanz nimmt zu. Auf einer Demonstration in Duisburg letzten Monat gab es Übergriffe gegen Kurden.

Welcher Ideologie hängen die Grauen Wölfe an?

Sie träumen vom sogenannten „Turan“, also von einem Großtürkischen Reich. Alle Parteien in der Türkei, auch die der Opposition, sind nationalistisch. Die Grauen Wölfe gehen darüber noch viel weiter hinaus: Sie unterscheiden sich von Parteien auch in der Frage, wer zu diesem Großreich gehören dürfe. Sämtlichen Minderheiten in der Türkei, ob ethnisch oder religiös, sprechen sie die Existenzberechtigung ab. Das hat nationalsozialistische Züge.

Woran kann ich Graue Wölfe erkennen?

Die Zeichen und Symbole werden beispielsweise auf Demonstrationen relativ offen zur Schau gestellt. Die Flaggen mit den drei Halbmonden sieht man häufig. Viele Mitglieder tragen eine Halskette mit einem grauen Wolf. Auf manchen Demonstrationen versuchen sie sich auch als ganz normale konservative Türken zu kleiden. Eine Nachfrage, zum Völkermord an den Armeniern beispielsweise, reicht dann aber aus, um zu erfahren, wer sie wirklich sind.

Die Hamburger Abgeordnete Nebahat Güçlü flog 2015 aus der Grünen-Fraktion, weil sie bei der „Türkischen Föderation“ aufgetreten ist. Sie wusste angeblich nichts von der Nähe dieses Vereins zu den Grauen Wölfen. Ist das plausibel?

Nein, das ist nicht vorstellbar. Wer politisch aktiv und, wie Frau Güçlü, türkischstämmig ist, muss das wissen.

Interview: André Zuschlag

Vortrag „Wölfe im Schafspelz“: 20 Uhr, Rote Flora

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