heute in bremen : „Das zerstört Körper und Seele“
Eine junge Theater-Kompanie inszeniert ein Stück für Jugendliche über Essstörungen
taz: Frau Gunst, das Stück basiert zum Teil auf Ihren eigenen Erfahrungen?
Marie Luise Gunst, Schauspielerin: Ja, ich war zwischen zwölf und 21 Jahren essgestört, die letzten vier Jahre bulimisch. Seit zwei Jahren bin ich gesund.
Wann haben Sie sich eingestanden, dass Sie krank sind?
Erst sehr spät, an einem Punkt, wo es überhaupt nicht mehr weiter ging. Ich hätte mich umgebracht, wenn ich weiter gemacht hätte. Ganz langsam habe ich gelernt, meine Fressanfälle am Tag zu reduzieren.
Mit professioneller Hilfe?
Leider hatte ich nicht das Glück, an kompetente Psychologen zu geraten, davon könnte es sicher noch mehr geben. Auch Ärzte wissen oft viel zu wenig. Einer sagte zu mir: „So krank sehen Sie doch gar nichts aus.“
Wie haben Sie es geschafft?
Mit derselben Disziplin, die ich vorher aufgewandt habe, um meinen Körper und meine Seele zu zerstören.
Wie wollen Sie die Betroffenen erreichen? Die wissen doch genau, was sie tun, Belehrungen helfen da nicht weiter.
Das stimmt, aber wir belehren sie nicht. Wir bieten keine Erklärung. Wir zeigen, was passiert, in aller Radikalität – und das tut weh. Aus Berlin wissen wir, dass sich zwölf Mädchen nach unserem Stück an eine Beratungsstelle gewandt haben.
Können Sie wieder normal essen?
Ja, ich entdecke gerade, wie schön das ist. Ich habe das nie erlebt, weil ich als junges Mädchen gleich mit Diäten angefangen und mir alles mögliche versagt habe. Aber eine Essstörung ist nicht wie Alkoholismus oder Drogenabhängigkeit. Man kann auf das Suchtmittel nicht verzichten, weil es lebensnotwendig ist. Int.: eib
Theaterstück „verDÜNNisiert“: 3. und 4. Juni, 11 und 19 Uhr, Concordia, Schwachhauser Heerstraße 17. Nach den Vorstellungen Diskussion