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heute in bremen„Es geht um den Faschisten in uns“

Foto: Patrick Seeger/dpa

Klaus Theweleit, 77, ist Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker. Sein erstmals 1977 erschienenes Werk „Männerphantasien“ wurde im letzten Jahr neu aufgelegt.

Interview Sophie Lahusen

taz: Herr Theweleit, vor 40 Jahren haben Sie mit Ihrem Werk „Männerphantasien“ einen Grundstein für die Männerforschung gelegt. Über Frauen sprechen Sie in dem Werk gar nicht – wieso?

Klaus Theweleit: Männer haben sich immer über Frauen geäußert und haben sie damit zugerichtet, das fing schon bei Homer an. Ich bin ja selber ein Mann und in einem Buch über Frauen zu sprechen, ist auch eine Form von Männergewalt.

Sie sagen in Ihrem Buch, der gewaltsame und faschistische Mann ist vor allem voller Angst. Angst wovor?

Vor der Fragmentisierung, der Körperauflösung.

Das heißt?

Er fühlt sich immer bedroht und handelt aus Notwehr. Er fühlt sich bedroht von den Frauen, die zu mächtig werden, vor den Juden, die ihm alles wegnehmen, vor den Schwarzen und so weiter. Er hat immer das Gefühl, im Recht zu sein und sich einfach zu wehren.

In Ihrem Werk ging es um die Nazis der 20er und 30er. Was sie sagen kann aber auf die Männer der AfD übertragen werden?

Ja, wir hören heute von der AfD ständig, dass etwas in Bedrohung sei und man sich wehren müsse.

In der Neuauflage Ihres Werkes gehen Sie auch auf die „Neuen Netz-Nazis“ ein und wieso sie sich im Internet so wohl fühlen. Warum ist das denn so?

Das Internet ist eine neue Art der Körperlichkeit. Die Angst vor Fragmentisierung des Körpers wird im Internet genommen, weil es einen Zustand des Ganzen gibt.

Vortrag „Männerphantasien – zur Aktualität des Problems ‚soldatischer‘ Männlichkeiten“ von Klaus Theweleit: 19 Uhr, Haus der Wissenschaft

Das müssen Sie erklären.

Indem der Mann nicht mehr ein einzelner in einem dunklen Keller vor einem Computer ist, weil er drei Millionen Follower hat, kriegt er das Gefühl eines machtvollen Körpers und von Stabilität. Das ist der Zustand, den er sucht.

Bei Ihrem Vortrag soll es heute aber nicht nur um männliches gewaltsames Verhalten in der rechten Szene gehen, stimmt das?

Ich wurde angefragt, zu beschreiben, inwieweit sich faschistisches Verhalten in jeder solidarischen Männergruppe wiederfindet. Es geht sozusagen um „den Faschisten in uns“, jenen Typus von Mann, der nicht anders kann, als mit Gewalt zu agieren.

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