heute in bremen: „Belastbar, schnell im Kopf, nie müde“
Interview Alina Götz
taz: Herr von Bestenbostel, wie sind Menschen, wenn sie marktgerecht sind?
Karl-Heinz von Bestenbostel: Ausgesprochen belastbar, schnell im Kopf, nie müde. Natürlich auch nie krank und bereitwillig arbeitend auf jeder Position zu jeder Bedingung.
Welche sind die verheerenden Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, die hinter solchen Erwartungen stehen?
Immer mehr Menschen sind in prekären Vollzeitarbeitsverhältnissen beschäftigt, deren Einkommen nicht zum Leben reichen. Viele stocken auf oder haben zwei Jobs. Das andere ist die Zunahme des Leistungsdrucks und die Verdichtung der Arbeit. Und Zeitarbeit: Menschen müssen auf Abruf stehen und werden, sobald sie nicht mehr gebraucht werden, nach Hause geschickt. Hinzu kommt der Druck, dass Betriebsräte aufgelöst werden, wo immer das geht.
Was macht ein unsicherer oder ein fehlender Arbeitsplatz mit unserer Psyche?
In einem Arbeitsverhältnis zu sein, in dem nicht sicher ist, was am nächsten Tag passiert, stellt eine permanente Stresssituation dar. Dazu kommt die Frage, was für Verpflichtungen ich eigentlich eingehen kann, wenn ich nicht weiß, ob ich morgen noch einen Job habe.
Das Private ist betroffen.
Genau. Zum Beispiel ist ein Wohnungskauf absolut unrealisitisch – wobei, bei den heutigen Preisen ja sowieso …
Inwieweit stellt der Wirtschaftsring Roland-Regional eine Gegenbewegung dar?
Roland ist ja erst einmal ein Verrechnungsverein. Wir haben unser Regionalgeld und tauschen Leistungen aus wie auf einem eigenen Markt. Umgerechnet in Roland wird ein Negativsaldo am Ende des Monats vom Eurokonto abgebucht. So können auch Betriebe Mitglied sein, die in Euro einkaufen. Da globale Marktmächte aber fehlen, gibt es die Chance, von der ganz starken Konkurrenz unabhängig zu werden. Außerdem pflegen wir ein Miteinander statt Gegeneinander.
Film: „Der marktgerechte Mensch“, mit Irmgard Laaf und Karl-Heinz von Bestenbostel von Roland-Regional, 17.30 Uhr, City 46, Breitenweg 41. Weitere Vorführungen: 18.–21. 1.
Haben Sie ein Zukunftsszenario für unseren Arbeitsmarkt?
Der Anteil der sicheren Arbeitsverhältnisse ist von 65 auf 38 Prozent zurückgegangen, das wird noch zunehmen. Die Arbeit der Gewerkschaften wird noch schwieriger werden. Die Konkurrenz steigt, Unternehmen fordern ihre Rendite ein. Ich sehe in diesem System nicht die Chance auf Veränderung, auch nicht im Hinblick auf den Klimawandel und knappe Ressourcen. Und politische Antworten fehlen – das viel proklamierte grüne Wachstum ist eben auch Wachstum.
Das klingt wenig hoffnungsvoll.
Besonders kritisch wird es, wenn der Reichtum nicht nur produziert wird, sondern auch konsumiert werden möchte. Wir haben immer weniger Menschen, die über ein entsprechendes Einkommen verfügen. Die wirtschaftliche Entwicklung wird in große Schwierigkeiten kommen.
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