piwik no script img

heute in bremen„Man darf sich nicht einlullen lassen“

Rafael Behr, 61, ist Professor für Kriminologie und Soziologie an der Akademie der Polizei Hamburg.

Interview Cornelius Runtsch

taz: Herr Behr, entwickelt die Polizei momentan autoritäre Strukturen?

Rafael Behr: Ja, es gibt tatsächlich eine solche Tendenz. Die Polizei befindet sich momentan am Scheideweg – entweder eine Polizei für Bürger zu sein, oder Aufrüstung und Rigorismus anzustreben.

Was meinen Sie mit Rigorismus?

Rigorismus bedeutet hierbei die Immunisierung gegen Kritik, das heißt die Polizei fühlt sich in ihrem Tun unangreifbar, sodass Kritiker in der Öffentlichkeit diffamiert werden. Mittlerweile muss sich jeder im Vorfeld rechtfertigen, dass die Polizei gut ist, bevor eine Kritik formuliert werden darf.

Worin unterscheidet sich die Polizeiarbeit heute zu früher?

Hauptsächlich in ihrer starken Aufrüstung. Dieses Bedürfnis ist nicht ganz neu, aber die Selbstdarstellung und Offenheit mit der dies gezeigt wird, ist heute besonders stark. In den 90er-Jahren war die Politik noch zurückhaltender gegenüber der Vorstellung einer Staatsschutzpolizei. Dieser Diskurs hat sich mittlerweile verschoben, hin zum Polizisten als zu schützendes Opfer von gesellschaftlicher Gewalt. In diesem Windschatten hat sich nun eine Aufrüstung durchgesetzt, die selten bis gar nicht mehr kritisiert wird.

In Ihren Publikationen schreiben Sie, die polizeiliche Alltagsarbeit trage „maskuline Züge“. Könnte denn das Einbeziehen des Femininen die Polizeiarbeit positiv beeinflussen?

Die „Policey“ in der Krise - zur Neujustierung von Sicherheit und Ordnung, 19.00 Uhr, sfd Bremen, Dammweg 18-20

Das ist total wichtig! Die Polizei ist hegemonial männlich definiert. Allerdings gibt es zunehmend mehr kümmernde Aspekte im Polizeialltag, die weiblich kodiert sind. Es führt kein Weg dran vorbei, dass diese Werte bei Polizisten jeden Geschlechtes Teil der Polizeiarbeit werden.

Welche Möglichkeiten gibt es, um einer autoritären Transformation der Polizei entgegen zu treten?

Man darf sich einfach nicht einlullen lassen. Es gibt kein probates Allheilmittel, aber ich sehe in einer politisch bewussten und aktivistischen Öffentlichkeit die Möglichkeit, die Rolle der Polizei zu überprüfen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen