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heute in bremen“Realisiert auf der Basis von Mangel“

PirkkoHusemann, 44, ist seit 2015 künstlerische Leiterin der Schwankhalle

Interview Benno Schirrmeister

taz: Frau Husemann, definieren die gemeinsamen kulturpolitischen Wahlprüfsteine von freier und soziokultureller Szene die Gattung bewusst neu?

Pirkko Husemann: Tun wir das denn? Wir fragen die Politiker*innen so, wie uns die Schnäbel gewachsen sind –

Ja eben: Prüfsteine benennen sonst eher konkrete Forderungen …

Wir haben uns für Fragen entschieden, einerseits, weil es, zumal im vergangenen Jahr, so viele intensive Gespräche gegeben hat mit der Kulturbehörde und in unterschiedlichen Foren: Wir befinden uns also mitten in einer Diskussion, an einem Punkt, wo die Frage, wie es weitergehen soll, unterschiedlich beantwortet werden kann. Darüber gibt es auch bei den vier Interessensverbänden, Stadtkultur, Freie Darstellende Künste, Tanzinitiative und den Spielstätten Bremen, die ich hier vertrete, oft unterschiedliche Vorstellungen.

Das größte gemeinsame Anliegen scheint, mehr Geld für Kultur zu bekommen?

Ja, ganz klar: Es gibt einfach an allen Ecken und Enden einen riesigen Investitionsstau auch jenseits der Schlaglöcher im Straßenbelag. An manchen Institutionen, die von Bremen mitfinanziert werden, herrschen völlig unhaltbare Arbeitsbedingungen, extreme Unterbezahlung.

Wie kann das sein in einem Land mit Mindestlohn?

Den Mindestlohn gibt’s, aber wo er gezahlt wird, entspricht er nicht der Arbeit, die wirklich geleistet wird – und er greift nicht, wenn Einrichtungen im Ehrenamt auf 450-Euro-Basis betrieben werden. Deswegen fragen wir ja auch die Haltung zu einer Honorar-Untergrenze ab.

Wie soll die funktionieren?

Eine Möglichkeit wäre, dass Produktionen, aus deren Antrag bereits ersichtlich ist, dass die freien Künstler*innen für sich selbst und ihre Mitwirkenden zu niedrige Honorare eingeplant haben, keine Förderung erhalten können.

Und das fordern alle?!

Kulturpolitische Wahlprüfsteine – Diskussion zur Bürgerschaftswahl, Schwankhalle, 18.30 Uhr

Das ist innerhalb der Szene sehr umstritten: Weil davon auszugehen ist, dass nicht viel mehr Förderung fließt, würde das dazu führen, dass vielleicht nur zwei Projekte auskömmlich gefördert werden, statt viele Initiativen mit zu wenig Geld auszustatten, die dann realisiert werden auf der Basis von Mangel, so wie es derzeit in Bremen üblich ist.

Zugleich schwingt in den Fragen der Wunsch nach einer eigenen Kultursenatorin mit: Würde die Abhilfe schaffen?

Auch da gibt es zwei Antworten: In Bremen sagen viele, das würde bloß ein wirkungsloses Orchideenressort. Wenn man stärker auf die Außenwirkung schaut, sieht das anders aus.

Wie stehen Sie selbst dazu?

Da kann ich wirklich nur für mich selbst, als Pirkko Husemann und als künstlerische Leiterin der Schwankhalle sprechen: Ich habe da vor allem das Hamburger Beispiel vor Augen, wo es das eigenständige Ressort gibt – und eine echte Kulturpolitik, eine die initiativ wird und die gestaltet.

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