heute in bremen: „Wir verkaufen unsere Lebenszeit“
Tobi Rosswog, 28, ist freier Dozent, Autor und Aktivist. Sein Buch „After Work“ erschien am 1. Oktober im oekom-Verlag.
Interview Alina Götz
taz: Herr Rosswog, warum wünschen Sie sich eine Gesellschaft ohne Arbeit?
Tobi Rosswog: Wir verkaufen unsere Lebenszeit an die Arbeitgeber*innen, bekommen Geld, mit dem wir wiederum unsere Bedürfnisse wie Essen und Wohnen befriedigen. So gehen wir arbeiten, um das Eigentum anderer zu bezahlen. Diesen Arbeitsfetisch der Gesellschaft möchte ich radikal hinterfragen.
Wie sieht Ihre Alternative aus?
Ich strebe eine Gesellschaft an, in der wir nicht mehr arbeiten müssen, um zu überleben, sondern intrinsisch tätig werden dürfen. Wenn ich lohnarbeitsunabhängiger lebe, kann ich schauen, was ich für Talente habe. Die kann ich dann in die Gesellschaft geben. Ein Beispiel: Durch den Lebensmittel-Überfluss kann ich meinen Hunger stillen, ohne dass ich dafür arbeiten muss. Vielleicht kann ich durch die frei gewordene Zeit dann bio-vegane permakulturelle Gemeinschaftsgärten aufbauen und so zur Transformation beitragen.
Wie könnten wir dahin kommen?
Lesung „After Work – Radikale Ideen für eine Gesellschaft jenseits der Arbeit“: 18.30 Uhr, Universität, SFG 0150, Enrique-Schmidt-Str. 7
Ich schreibe in meinem Buch unter anderem von drei Werkzeugen: Zum einen Suffizienz. Wir sollten uns fragen, was wir wirklich zum Leben brauchen. Und Sharing. Wie kann ich meine Talente mit anderen teilen und Vorhandenes besser nutzen? Schließlich Subsistenz: Wir müssen uns jenseits von Markt und Staat selber organisieren.
Arbeiten Sie selber?
Was ich tue, mag ich nicht als Arbeit bezeichnen. Auch wenn ich Vorträge gebe, Projekte und Kampagnen ins Leben rufe, ein Buch schreibe und noch mehr. Ich möchte nicht nur den Lohnarbeitsbegriff, sondern auch Arbeit per sé hinterfragen. Ich versuche lieber, präzise zu benennen, was ich gerade tue. Ich muss das nicht hinter dem Begriff Arbeit, der essenziell für unseren Alltag, aber trotzdem total negativ konnotiert ist, verschleiern, um damit meine Existenz als Bürger*in zu rechtfertigen.
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